Rz. 17
Soweit dem ausscheidenden Gesellschafter, wie in § 728 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehen, ein Abfindungsanspruch für den Verlust seines Gesellschaftsanteils zusteht, ist dieser im Falle des todesbedingten Ausscheidens Bestandteil des Nachlasses des Verstorbenen und daher auch in die Berechnung etwaiger Pflichtteilsansprüche einzubeziehen.
Rz. 18
Soweit aber (abweichend von den gesetzlichen Vorgaben) abfindungsbeschränkende gesellschaftsvertragliche Regelungen eingreifen, müssen diese grundsätzlich auch auf die Pflichtteilsberechnung (beim ordentlichen Pflichtteil und beim Pflichtteilsergänzungsanspruch) durchschlagen.
Ein gesellschaftsrechtlich zulässiger Abfindungsausschluss wirkt sich daher auf den ordentlichen Pflichtteilsanspruch i.S.d. § 2303 BGB in der Weise aus, dass weder der Gesellschaftsanteil noch ein an dessen Stelle tretender Abfindungsanspruch in die Pflichtteilsberechnung einbezogen werden kann. Dies gilt nach (noch) h.M. jedenfalls dann uneingeschränkt, wenn der Abfindungsausschluss alle Gesellschafter gleichermaßen betrifft und keinen der Beteiligten unangemessen bevorzugt oder benachteiligt.
Die zulässige Abfindungsbeschränkung führt hingegen nur dazu, dass im Rahmen der Pflichtteilsberechnung zwar ein Abfindungsanspruch zu berücksichtigen ist, aber eben nur in Höhe des sich nach der Gesellschaftervereinbarung ergebenden Betrags und nicht entsprechend den gesetzlichen Vorgaben (§ 728 Abs. 1 S. 1 BGB).
Rz. 19
Gerade im Hinblick auf den (gegenseitigen) vollständigen Abfindungsausschluss (aber im Prinzip auch bei allen weniger einschneidenden Arten der Abfindungsbeschränkung) stellt sich konsequenterweise die Frage, ob durch sein Eingreifen Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 Abs. 1 BGB ausgelöst werden.
Auch wenn diese Frage heftig umstritten ist, lässt sich doch vorab festhalten, dass – bejahendenfalls – die Frist des § 2325 Abs. 3 BGB jedenfalls erst mit dem Tod des Gesellschafters zu laufen begänne, da erst ab diesem Zeitpunkt eine Beeinträchtigung des Vermögens des Erblassers gegeben sein kann (Vermögensausgliederung).
Rz. 20
Weniger eindeutig geklärt ist aber die viel entscheidendere Frage, ob in der Vereinbarung des Abfindungsausschlusses eine Schenkung zugunsten der anderen Mitgesellschafter zu sehen ist. Voraussetzung hierfür wäre gem. §§ 516, 517 BGB eine objektive Bereicherung der übrigen Gesellschafter sowie die Einigkeit der Beteiligten darüber, dass die "Zuwendung" unentgeltlich erfolgt. Umstritten ist dabei bereits, was bei einem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Abfindungsverzicht eigentlich den Zuwendungsgegenstand bildet. Teilweise wird vertreten, dass der Abfindungsverzicht ein Vermögensopfer im Sinne des Schenkungsbegriffs darstelle. Andere sind der Auffassung, der Gesellschaftsanteil selbst sei Gegenstand der Zuwendung.
Rz. 21
Außerdem bestehen erhebliche Zweifel an der Unentgeltlichkeit der Vereinbarung. Wird man bei einem einseitigen Abfindungsausschluss nur für einzelne Gesellschafter wohl im Einzelfall von einer unentgeltlichen Zuwendung ausgehen können, ist dies bei einem allseitigen Abfindungsausschluss sicher nicht so einfach möglich. Der BGH geht mit Blick auf den wechselseitigen Abfindungsausschluss bislang jedenfalls davon aus, dass dieser keine Schenkung darstelle. Vielmehr handele es sich um einen bereits unter Lebenden vollzogenen entgeltlichen Vertrag, bei dem dem Risiko, den eigenen Anteil zu verlieren, die für alle Gesellschafter gleichermaßen gegebene Chance gegenüberstehe, einen anderen Gesellschaftsanteil hinzuzuerwerben (aleatorisches Geschäft).
Rz. 22
Eine andere Beurteilung hält der BGH nur dann für geboten, wenn ein grobes Missverhältnis der die einzelnen Gesellschafter treffenden Risiken – bspw. infolge erheblicher Altersunterschiede oder schwerer Erkrankungen – besteht und sich dadurch einseitige Vor- oder Nachteile ergeben. Auch die Situation, dass gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmittel bewusst zur gewillkürten Weitergabe von Vermögen im Todesfall eingesetzt werden, akzeptiert der BGH nicht als pflichtteilsfest.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die den Entscheidungen des BGH zugrundeliegenden Sachverhalte regelmäßig dadurch gekennzeichnet waren, dass es um "am Markt tätige" Gesellschaften ging. Ob auch bei rein vermögensverwaltenden Gesellschaften, bei denen der Verdacht einer mehr auf die Vermögensweitergabe abzielenden Gestaltung naheliegender erscheinen könnte, ebenfalls von einer grundsätzlichen Pflichtteilsfestigkeit von Abfindungsbeschränkungen ausgegangen werden kann, darf bezweifelt werden.
Rz. 23
Die einen Pflichtteilsergänzungsanspruch grundsätzlich ablehnende Haltung des BGH sowie insbesondere auch seine Begründung sind – zum Teil heftiger – Kritik ausgesetzt. Im Fokus stehen dabei vor allem die Argumente, dass allein aus der Wechselseitigkeit des Abfindungsausschlusses bzw. der Abfindungsbeschränkung noch kein entgeltlicher Charakter der Ve...