I. Bewertungsobjekt – Ziel der Bewertung
Rz. 62
Sofern nicht ein Einzelunternehmen als Gesamtheit vererbt wird, ist Bewertungsobjekt im pflichtteilsrechtlichen Sinne die in den Nachlass gefallene bzw. nach dem Tod des Erblassers fortgeführte gesellschaftsrechtliche Beteiligung.
Rz. 63
Soweit diese zeitnah zum Erbfall verkauft wird, kann aus dem hierbei vereinbarten Verkaufspreis zumeist der Wert (am Stichtag) abgeleitet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Veräußerung die objektiv günstigste Verwertungsmöglichkeit bildet und der Kaufpreis unter den Bedingungen eines funktionierenden Marktes zustande gekommen ist. Der Verkauf stellt sich regelmäßig dann als wirtschaftlich günstigste Handlungsalternative dar, wenn der Verkaufserlös den objektivierten Wert der Beteiligung übersteigt oder wenigstens erreicht. Nachfolgend geht es daher um die Frage der wirtschaftlich sinnvollsten Verwendungsmöglichkeit, da von ihr abhängt, wie viel der Anteil objektiv wert ist.
II. Objektivierter Wert des Anteils
Rz. 64
Ähnlich wie der Wert ganzer Unternehmen kann auch der Wert von Unternehmensanteilen meistens nicht aus tatsächlich stattfindenden Verkäufen abgeleitet werden. Es fehlt i.d.R. an der Vergleichbarkeit der gehandelten mit den zu bewertenden Anteilen. Daher bleibt für die Bestimmung des – insbesondere für die Pflichtteilsberechnung – maßgeblichen objektiven Werts der Anteile meist nur die Schätzung. Da sich der Unternehmensanteil als Beteiligung an dem wirtschaftlichen Organismus "Unternehmen" darstellt, gelten für seine Bewertung prinzipiell dieselben Grundsätze, die auch bei der Bewertung des Gesamtunternehmens anzuwenden sind: Das "Herausholbare" bestimmt den Wert.
Rz. 65
Die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten, einzelne Gesellschaftsanteile mit besonderen Rechten oder auch Pflichten auszustatten oder bzw. mit Beschränkungen zu belasten, sind vielfältig. Dies machte eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Insbesondere ist dabei festzustellen, ob und ggf. wie unterschiedliche Eigenschaften der Beteiligungen den jeweiligen Anteilswert beeinflussen.
Rz. 66
Die Anteilsbewertung stellt daher eine eigenständige, über die reine Unternehmensbewertung hinausgehende Herausforderung dar, die die Betriebswirtschaftslehre mit zwei unterschiedlichen Methoden der Beteiligungsbewertung angeht. Bei der sog. indirekten Methode wird der Anteilswert sozusagen in einem zweiten, der Unternehmensbewertung nachgelagerten Schritt, aus dem Wert des Gesamtunternehmens abgeleitet. Die direkte Methode zielt demgegenüber auf die einstufige, unmittelbare Bewertung des Anteils ab.
III. Methoden der Anteilsbewertung
1. Indirekte Methode
Rz. 67
Bei der indirekten Methode wird der Anteilswert aus dem Wert des Gesamtunternehmens abgeleitet. Logischerweise entspricht dabei die Summe aller so abgeleiteten Anteilswerte dem Wert des Unternehmens insgesamt.
Rz. 68
Im Prinzip wird der Wert des einzelnen Anteils durch Multiplikation des Unternehmensgesamtwerts mit der jeweiligen Anteilsquote bestimmt. Für diese ist nach zutreffender Auffassung der jeweilige Anteil am Ertrag maßgeblich, nicht etwa die Beteiligung am Gesellschaftskapital. Denn der Wert des Anteils wird vor allem durch das "Herausholbare" geprägt. Und das hängt in erster Linie vom Gewinnanteil ab.
Rz. 69
Der so errechnete sog. quotale Anteilswert bildet sodann die Grundlage, um durch bestimmte Zu- und Abschläge für besondere Eigenschaften und/oder eine besondere gesellschaftsrechtliche Ausstattung des Anteils den Verkehrswert der Beteiligung abzuleiten. Das Hauptproblem für die Bewertungspraxis bildet die Bestimmung der im konkreten Fall angemessenen Zu- und Abschläge.