I. Strenge Haftung des Testamentsvollstreckers

 

Rz. 1

§ 2219 BGB normiert eine strenge Haftung des Testamentsvollstreckers, die sich nach herrschender Meinung auf jede Form des Verschuldens bezieht, also auch auf Fälle der leichtesten Form von Fahrlässigkeit. Damit stellt die Norm einen Kontrapunkt zu der starken Stellung des Testamentsvollstreckers im deutschen Erbrecht dar. Von seiner Haftungsverpflichtung kann den Testamentsvollstrecker noch nicht einmal der Erblasser befreien, § 2220 BGB.[1] Nur die Erben selbst können auf den Schutz des § 2220 BGB verzichten.[2]

 

Rz. 2

Entsprechend fordert die Rechtsprechung, dass der Testamentsvollstrecker beispielsweise externen Rechtsrat einholen muss, wenn er nicht selbst über entsprechende Kenntnisse verfügt.[3] Dies könne der Erblasser auch so erwarten. Die Kosten für die Hinzuziehung von solchem Rechtsrat muss der Testamentsvollstrecker nicht aus seiner Vergütung bestreiten. Vielmehr trägt diese der Nachlass. Zur Begründung wird angeführt, dass die Belastung des Nachlasses mit derartigen Kosten originär auf die Entscheidung des Erblassers zurückgeht, mit der Testamentsvollstreckung einen Nichtjuristen zu beauftragen.[4]

 

Praxishinweis

Die Übernahme amerikanischer Rechtsbegriffe und des amerikanischen Rechtsdenkens in das deutsche Recht[5] wird nicht ohne Folgen auch für das deutsche Haftungsrecht bleiben.[6] Parallel dazu steigt die Anspruchsmentalität. Zunehmend treten sog. "Verbraucherschutzanwälte" auf. Nicht zu verkennen ist weiterhin das sog. Deep-Pockets-Phänomen. Wer tatsächlich oder vermeintlich über entsprechende Vermögenswerte oder eine einschlägige Versicherung verfügt, wie etwa ein Anwalt oder Steuerberater als Testamentsvollstrecker, wird eher verklagt als jemand, bei dem weniger zu holen ist. Diese Entwicklung wird auch vor den geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckern nicht Halt machen. Die Beherrschung der Haftungs- und Risikofragen der Testamentsvollstreckung gehört daher zum Grund-Know-how jedes Testamentsvollstreckers.[7]

[1] Rott, in: Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, 4. Aufl. 2013, § 2220 Rn 1.
[2] Grüneberg/Weidlich, § 2220 Rn 1; Rott/Lenzen, in: Frieser, Fachanwaltskommentar Erbrecht, § 2220 Rn 3.
[3] OLG Oldenburg, Urt. v. 20.4.2000 – 15 U 103/99, bestätigt durch BGH, Nichtannahmebeschl. v. 23.5.2001 – IV 144/00.
[5] Vgl. Hellwig, AnwBl 2002 S. 566; Sieg, DB 2002 S. 1759, 1760 f.
[6] Hierzu vertiefend Schiffer/Rödl/Rott, Haftungsgefahren im Unternehmen, 2004, 1 ff.
[7] Rott/Schiffer, in BBEV 2007, 391, diess. in Pruns, Tagungsband zum 3. Deutschen Testamentsvollstreckertag, 2010, S. 121–134.

II. Rechtlicher Ausgangspunkt

 

Rz. 3

Die Haftung des Testamentsvollstreckers ist in § 2219 BGB wie folgt geregelt:

 

(1) Verletzt der Testamentsvollstrecker die ihm obliegenden Verpflichtungen, so ist er, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt, für den daraus entstehenden Schaden dem Erben und soweit ein Vermächtnis zu vollziehen ist, auch dem Vermächtnisnehmer verantwortlich.

(2) Mehrere Testamentsvollstrecker, denen ein Verschulden zur Last fällt, haften als Gesamtschuldner.

 

Rz. 4

Daneben kommen als Anspruchsgrundlagen gegen den Testamentsvollstrecker die allgemeinen Vorschriften in Betracht, wie z.B. § 823 BGB. Diese Vorschriften knüpfen allerdings nicht an die konkrete Amtsführung des Testamentsvollstreckers an, sondern treffen ihn wie jeden anderen Staatsbürger auch und werden daher nachfolgend nicht dargestellt.

 

Beispiel

Der Testamentsvollstrecker verletzt den Erben – oder auch völlig unbeteiligte Dritte – körperlich oder begeht eine Eigentumsbeschädigung.

 

Rz. 5

Eine gewisse Sonderrolle spielt das Steuerrecht mit seinen Haftungsvorschriften für fremde (Steuer-) Schuld. Sie sind regelmäßig weniger bekannt und sollen daher anschließend dargestellt werden.

III. Verletzung der Pflichten als Testamentsvollstrecker

 

Rz. 6

Jede Haftung setzt eine objektive Pflichtverletzung voraus. Die Pflichten des Testamentsvollstreckers ergeben sich aus den §§ 22032209, 22152218 BGB sowie § 2226 S. 3 BGB i.V.m. § 671 Abs. 2, 3 BGB. Ergänzend sind die vom Erblasser getroffenen Anordnungen heranzuziehen.[8]

 

Praxishinweis

Keineswegs sollte sich der Testamentsvollstrecker dazu verleiten lassen, auf den Druck der Erben hin bestimmte Handlungen vorzunehmen. Weisungen der Erben sind ohne rechtliche Bedeutung.[9] Glaubt er, im Interesse des Nachlasses von Weisungen des Erblassers abweichen zu müssen, ist der gesetzlich vorgesehene Weg eines Antrages an das Nachlassgericht nach § 2216 BGB einzuhalten. Nur wenn sich der Testamentsvollstrecker mit der Zustimmung sämtlicher Beteiligten über Erblasseranordnungen hinwegsetzen würde, kann seine Haftung entfallen.[10]

 

Rz. 7

Die Pflichtverletzung kann nicht nur in der Ausführung einer pflichtwidrigen Handlung bestehen, sondern auch in einem Unterlassen, d.h. insbesondere in einer Nichterfüllung oder nur teilweisen Erfüllung der dem Testamentsvollstrecker übertragenen Aufgaben.[11]

Der Vermächtnisvollstrecker ist gemäß §§ 2223, 2219 BGB sowohl dem Haupt- als auch dem Untervermächtnisnehmer gegenüber persönlich für Pflichtverletzungen verant...

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