Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Dr. Cathrin Krämer
I. Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit
Rz. 3
Im Gesetz ist das Verfahren der Kraftloserklärung nicht geregelt. Nach allgemeiner Ansicht ist das Verfahren einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen. Hierfür wird angeführt, dass für die Kraftloserklärung der Vollmachtsurkunde Kosten gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 17 GNotKG erhoben werden und diese Regelung nicht verständlich wäre, würde es sich nicht um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handeln.
II. Antrag
Rz. 4
Das Verfahren zur öffentlichen Bekanntmachung der Kraftloserklärung ist durch einen Antrag beim zuständigen Amtsgericht einzuleiten. Zuständig ist gem. § 176 Abs. 2 BGB sowohl das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Vollmachtgeber seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§§ 13 ff. ZPO), als auch das Amtsgericht, welches für die Rückgabe der Urkunde (§ 175 BGB), abgesehen von dem Wert des Streitgegenstandes, zuständig sein würde (§ 176 Abs. 2 BGB). Für die Rückgabe der Urkunde wäre eine Klage regelmäßig beim allgemeinen Gerichtsstand des Bevollmächtigten einzureichen.
Rz. 5
Der Antrag kann durch den Vollmachtgeber oder einen Vertreter des Vollmachtgebers gestellt werden. Es muss die Bewilligung der öffentlichen Bekanntmachung beantragt werden. Der Antrag muss die für kraftlos zu erklärende Vollmachtsurkunde ihrem Inhalt nach näher angeben, das heißt mit Angaben zur Person des Vollmachtgebers und des Bevollmächtigten, Gegenstand und Datum der Vollmacht. Bei mehreren ausgehändigten Vollmachtsurkunden muss jede einzelne Vollmachtsurkunde für kraftlos erklärt werden.
Rz. 6
Wurden in der Vollmachtsurkunde mehrere Vertretungsberechtigte bezeichnet, aber die Vollmacht nur gegenüber einem widerrufen, muss die Vollmachtsurkunde teilweise für kraftlos erklärt werden.
Rz. 7
Eine Begründung des Antrags, warum die Vollmacht erloschen ist, ist nicht erforderlich. Für kraftlos können grundsätzlich nur Dokumente erklärt werden, von welchen ein Rechtsschein ausgeht, somit Originale und notarielle Ausfertigungen. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss aber auch eine Vollmachtsurkunde, von der kein Rechtsschein aus dem Grund ausgeht, dass diese dem Bevollmächtigten nicht ausgehändigt wurde, für kraftlos erklärt werden können. Wurden mehrere Vollmachtsurkunden herausgegeben, muss jede einzelne Vollmachtsurkunde für kraftlos erklärt werden.
Rz. 8
Muster 15.1: Antrag auf Veröffentlichung der Kraftloserklärung
Muster 15.1: Antrag auf Veröffentlichung der Kraftloserklärung
An das Amtsgericht
Ich, _________________________, geb. am _________________________, derzeit wohnhaft _________________________, habe am _________________________, Herrn/Frau _________________________ als Bevollmächtigtem eine Vollmachtsurkunde ausgehändigt (beigefügt als Anlage in Kopie). Darin wurde der Bevollmächtigte dazu bevollmächtigt _________________________ (genaue Beschreibung des Inhalts der Vollmacht).
Die vorstehend bezeichnete Vollmachtsurkunde erkläre ich gem. § 176 Abs. 1 BGB für kraftlos und beantrage gem. § 176 Abs. 1 BGB
die Bewilligung der Veröffentlichung der Kraftloserklärung nach den für die öffentliche Zustellung einer Ladung geltenden Vorschriften der ZPO.
_________________________, den _________________________
Unterschrift
III. Prüfungsumfang
Rz. 9
Das Amtsgericht prüft die formalen Voraussetzungen der Antragstellung und bewilligt die öffentliche Bekanntmachung der Kraftloserklärung im Anschluss. Die nach §§ 186 f. ZPO erforderlichen Anordnungen werden von Amts wegen getroffen (bspw. öffentliche Zustellung durch Aushang oder durch Einstellung in ein elektronisches Informationssystem). Eine Unzulässigkeit des Antrags wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses wird nur in Ausnahmesituationen erwogen, weil eine von der Vollmachtsurkunde im Rechtsverkehr ausgehende Legitimationswirkung nicht mehr zu erwarten ist, bspw. dann, wenn eine befristete Vollmacht unzweifelhaft durch Zeitablauf erloschen ist.
Rz. 10
Das Amtsgericht nimmt keine materielle Prüfung vor, ob die Vollmacht wirklich erloschen ist oder nicht. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Vollmachtsurkunde eine Unwiderruflichkeitsklausel zu entnehmen ist, da selbst eine unwiderrufliche Vollmacht bei Vorliegen eines wichtigen Grundes widerrufen werden kann. Der Grund für die fehlende materielle Prüfung ist, dass es sich bei dem Verfahren der Kraftloserklärung der Vollmacht um ein privates Gestaltungsgeschäft des Vollmachtgebers handelt, der zu diesem – im Gegensatz zum Aufgebotsverfahren – lediglich die Mitwirkung des Gerichts bedarf. Sollte eine unwiderrufliche Vollmacht vorliegen und wird das Verfahren der Kraftloserklärung dennoch durchgeführt, so ist die Kraftloserklärung unwirksam (§ 176 Abs. 3 BGB).
Rz. 11
Hinsichtlich der Problematik "Unwiderruflichkeit einer Vollmacht" ...