Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
I. Einleitung
Rz. 112
Investoren schrecken häufig vor einer Übernahme des Geschäftsbetriebes zurück, weil § 613a BGB eingreift und die Beschäftigungsverhältnisse in ihren ursprünglichen Bedingungen übernommen werden müssen. In dieser Gemengelage gegenläufiger Interessen kommt – quasi als Alternative zur vorgenannten Kündigung auf Erwerberkonzept – die Einschaltung einer sog. Transfergesellschaft oder Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG) in Betracht. Sie trägt ebenfalls dem Bedürfnis der Unternehmens- und Sanierungspraxis nach einer sicheren und insbesondere kalkulierbaren Lösung Rechnung. Das Modell der BQG hat in den letzten Jahren etwas von seiner ursprünglichen Bedeutung verloren, zumal die Kosten gerade in Insolvenzfällen beachtlich zu Buche schlagen und einigen – auch missbräuchlichen – Gestaltungen in der Vergangenheit durch gesetzliche Änderungen und durch die Rechtsprechung eine Absage erteilt wurde.
II. Rechtliche Struktur
Rz. 113
Grundidee des Einsatzes einer BQG ist der schnelle und sichere Personalabbau beim insolventen Arbeitgeber durch einvernehmliche Überleitung der Arbeitsverhältnisse in die BQG, in der sie qualifiziert, fortgebildet und auf eine Anschlussbeschäftigung im ersten Arbeitsmarkt oder bei einer Auffanggesellschaft vorbereitet werden. Dabei kann die BQG als Vehikel zur Personalreduzierung ohne komplette Stilllegung der Produktion und zur Vorbereitung einer übertragenden Sanierung dienen. In diesen Fällen wird den Arbeitnehmern, die für eine Kündigung in Betracht kommen, stattdessen der Übertritt in eine BGQ angeboten. Denkbar ist aber auch, den Übertritt in eine BQG allen Arbeitnehmern im Fall einer Betriebsstilllegung, etwa als Bestandteil eines Transfersozialplans, anzubieten, ohne gleichzeitig einen Erwerber in der Hinterhand zu haben, der eine übertragende Sanierung mit einer Einschaltung einer BQG anstrebt.
Rz. 114
Die BQG ist in der Regel eine eigenständige juristische Person, die zumeist in der Rechtsform der GmbH organisiert ist. Entweder gründet das Insolvenzunternehmen selbst eine Beschäftigungs-/Qualifizierungsgesellschaft, greift auf eine Vorratsgesellschaft zurück oder schaltet einen externen Dienstleister ein, was der häufigere Fall sein dürfte und sich in der Praxis vielfach bewährt hat.
Die unterschiedliche Qualität der zahlreichen externen Dienstleister war die wesentliche Ursache für die Änderung der §§ 111 Abs. 3 Nr. 3 und 4 SGB III zum 1.1.2011. Voraussetzung für die Gewährung von Transferkurzarbeitergeld ist seither, dass die Organisation und Mittelausstattung der BQG den angestrebten Integrationserfolg erwarten lassen müssen und ein Qualitätssicherungssystem vorhanden ist. Seit dem 1.1.2013 müssen externe BQGs über eine Trägerzulassung gem. § 111a Abs. 1 Nr. 2 SGB III verfügen, um am Markt agieren zu können. Ferner ist die Agentur für Arbeit im Vorfeld zwingend beratend zu beteiligen, § 111a Abs. 1 Nr. 1 SGB III, die schon im Vorfeld summarisch prüft, ob die Voraussetzungen zur Gewährung von Transferkurzarbeitergeld überhaupt gegeben sind.
Rz. 115
Zweck der BQG ist es, Arbeitnehmer des in der Krise befindlichen Unternehmens in ein Beschäftigungsverhältnis innerhalb einer betriebsorganisatorisch selbstständigen Einheit zu übernehmen, in der sog. "Kurzarbeit-Null" gem. § 111 SGB III durchgeführt wird. Im Vordergrund des Beschäftigungsverhältnisses mit der BQG steht die Qualifizierung und Fortbildung der Arbeitnehmer zur Vorbereitung auf die Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Die BQG übernimmt auch die Vermittlung der Arbeitnehmer in neue Beschäftigungsverhältnisse, was nach dem Wegfall der Erlaubnispflicht für Arbeitsvermittlung ohne weiteres möglich ist.
1. Übergang der Beschäftigungsverhältnisse auf die BQG
Rz. 116
Grundidee der Umstrukturierung und der Einschaltung einer externen BQG ist, dass alle vorgesehenen Arbeitnehmer einvernehmlich ihr Beschäftigungsverhältnis zum Altarbeitgeber auflösen und ein neues Beschäftigungsverhältnis mit der BQG begründen. Dies geschieht im Rahmen eines dreiseitigen Vertrags zwischen dem Altarbeitgeber, der BQG und dem betroffenen Arbeitnehmer. Es sind folgende Vertragsbeziehungen zu unterscheiden:
Rz. 117
Das bisherige Beschäftigungsverhältnis wird durch schriftlichen Aufhebungsvertrag (§ 623 BGB) einvernehmlich beendet. Zur Schonung der Insolvenzmasse können die Kündigungsfristen abgekürzt werden.
Zugleich mit dem Ausscheiden beim Altarbeitgeber schließt de...