Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 5
Die Insolvenzordnung hält gegenwärtig zwei Verfahrensarten bereit, deren Unterscheidung in der Praxis gerade in arbeitsrechtlichen Fragen erhebliche Bedeutung zukommt. Der Praktiker sollte daher bei allen Fragen im Kontext eines Insolvenzverfahrens zunächst nicht nur prüfen, in welchem Stadium man sich befindet (vor oder nach Insolvenzeröffnung) sondern auch, um welche Verfahrensart es sich handelt:
Die InsO regelt ausdrücklich zunächst nur das sog. Regelverfahren. Kennzeichnend für dieses ist, dass mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das insolvente Unternehmen – der Insolvenzschuldner bzw. Schuldner – gem. § 80 Abs. 1 InsO grundsätzlich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen verliert. Der Insolvenzverwalter rückt in die Rechtsstellung des Schuldners und übt fortan die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus. Damit verbunden ist auch, dass der Insolvenzverwalter für die Dauer des Insolvenzverfahrens die Funktion des Arbeitgebers an der Stelle des Schuldners ausübt, und dies sowohl auf individualarbeitsrechtlicher Ebene gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer als auch auf kollektivrechtlicher Ebene gegenüber Betriebsräten und Gewerkschaften.
Erst im Achten Teil der InsO (§§ 270 ff. InsO) lassen sich Regelungen zum Eigenverwaltungsverfahren finden. Es handelt sich hier um eine eigene Verfahrensart nach der InsO, in deren Rahmen eine Eigensanierung des Unternehmensträgers durch die bisherige Geschäftsleitung (oder einer hierfür eingesetzten Geschäftsführung) durchgeführt werden soll und ihr hierfür die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis belassen wird. Das Eigenverwaltungsverfahren hat mehrere Reformen durchlaufen und hält mittlerweile ebenfalls ein vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren bereit – wovon eine Unterart das Schutzschirmverfahren in § 270d InsO darstellt – und ermöglicht außerdem ebenfalls die Insolvenzgeldvorfinanzierung.
Rz. 6
Mit dem zum 1.1.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG gab es zuletzt umfassende Neuerungen auf dem Gebiet des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Kernstück des SanInsFoG war die Einführung des StaRUG, des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen. Der deutsche Gesetzgeber hat hierbei erstmals in Anlehnung an andere Jurisdiktionen Möglichkeiten geschaffen, Unternehmen außerhalb der Insolvenz zu sanieren, indem beispielsweise Maßnahmen mit der Mehrheit der Gläubiger abgestimmt werden und einzelne, widersprechende Gläubiger bzw. Gläubigergruppen überstimmt, also letztlich zur Sanierung gezwungen werden können.
Die dem StaRUG zugrunde liegende EU-Richtlinie 2019/1023 schließt Maßnahmen auch zulasten der Arbeitnehmer nicht gänzlich aus. Stattdessen räumte sie den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit ein, auch diesbezüglich entsprechende Instrumentarien über den Restrukturierungsrahmen zur Verfügung zu stellen, so lange nur ein hinreichendes Schutzniveau gewährleistet ist (vgl. Art. 1 Abs. 5 i.V.m. Art. 13 RL 2019/1023). Allerdings entschied sich der deutsche Gesetzgeber dagegen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. So verbietet § 4 S. 1 Nr. 1 StaRUG jegliche Gestaltung von Forderungen von Arbeitnehmern aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis einschließlich der Rechte aus Zusagen auf eine betriebliche Altersversorgung. Auch die betriebsverfassungsrechtliche Beteiligung darf – insofern übereinstimmend mit der Richtlinie – durch einen Restrukturierungsplan gem. § 92 StaRUG nicht eingeschränkt werden. Es dürfte sich von selbst verstehen, dass im Rahmen einer Sanierung nach dem StaRUG auch nicht auf die insolvenzspezifischen arbeitsrechtlichen Vorschriften, allen voran § 113 InsO, zurückgegriffen werden darf.