Dr. Stephan Pauly, Michael Pauly
Rz. 125
In mehreren Entscheidungen hat das Bundesarbeitsgericht die Umstrukturierungspraxis unter Einschaltung einer BQG bereits im Prinzip gebilligt und die Praxis in neueren Entscheidungen im Wesentlichen bestätigt.
Rz. 126
Abzugrenzen ist die – rechtswirksame – Gestaltung einer übertragenden Sanierung mittels einer Transfergesellschaft vom sog. "Lemgoer Modell". Anders als beim sog. Lemgoer Modell sind die Aufhebungsverträge mit den Arbeitnehmern hier wirksam, es liege keine Umgehung des § 613a BGB vor.
Nach der bisherigen Spruchpraxis des BAG ist eine Umgehung des § 613a BGB bzw. eine Nichtigkeit der entsprechenden Kündigungen oder Aufhebungsverträge nicht gegeben, denn § 613a BGB biete lediglich Schutz vor einer einvernehmlichen Veränderung des Arbeitsvertragsinhalts ohne sachlichen Grund, nicht aber vor einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne sachlichen Grund. Die Arbeitsvertragsparteien können ihr Rechtsverhältnis im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds wirksam durch Aufhebungsvertrag auflösen, wenn die Vereinbarung auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet ist.
Das BAG sah den Unterschied zum Lemgoer Modell darin, dass der dreiseitige Aufhebungs- und Arbeitsvertrag zwischen dem insolventen Unternehmen, Arbeitnehmer und BQG auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb des insolventen Unternehmens gerichtet war und nicht von vornherein auf die Wiedereinstellung bei der Auffanggesellschaft, die das Geschäft schließlich fortführte. Der Abschluss des dreiseitigen Vertrags sei ein Risikogeschäft für den Arbeitnehmer. Dass die Auffanggesellschaft alle oder nahezu alle Beschäftigten des insolventen Unternehmens einstellen würde, sei gerade nicht versprochen worden. Eine objektive Gesetzesumgehung liege aber dann vor, wenn bei Abschluss des Aufhebungsvertrages zugleich ein neues Arbeitsverhältnis zum Betriebsübernehmer vereinbart oder zumindest verbindlich in Aussicht gestellt wird. Dies sei beim dreiseitigen Vertrag aber gerade nicht der Fall. Der Arbeitnehmer werde darüber in Kenntnis gesetzt, dass eine Einstellung bei der Auffanggesellschaft ungewiss ist, da die Betriebsfortführung im Hinblick auf die Insolvenz des Vorgängerunternehmens nur mit verminderter Belegschaft überhaupt möglich ist.
Im Ergebnis ist daher Dreh- und Angelpunkt einer wirksamen Gestaltung die Kommunikation gegenüber den Arbeitnehmern: Ein Risikogeschäft liegt für die ausscheidenden Arbeitnehmer nur dann vor, wenn mit diesen nicht unmittelbar ein neues Arbeitsverhältnis mit der Erwerbergesellschaft begründet noch diesen ein solches verbindlich in Aussicht gestellt wird. Den Arbeitnehmern darf mithin maximal die rechtlich unverbindliche Chance eingeräumt werden, vom Erwerber übernommen zu werden.
Rz. 127
Sofern den Arbeitnehmern vor Abschluss des dreiseitigen Vertrages klare Angaben über den Zweck des gesamten Modells gemacht wurden, liegen ein Irrtum und eine arglistige Täuschung der Arbeitnehmer, die zur Anfechtung des Aufhebungsvertrags nach den §§ 119, 123 BGB berechtigen würden, fern. Allerdings ist ein Aufhebungsvertrag unwirksam, wenn das Unternehmen den Arbeitnehmer insofern getäuscht hat, dass es vorspiegelt, der Betrieb solle stillgelegt werden und es würden nur noch Restaufträge abgearbeitet.
Rz. 128
Auch der Wegfall der Geschäftsgrundlage wurde vom BAG in den bisher ergangenen Entscheidungen verneint. Im Hinblick auf die im Vertrag angelegte Risikoverteilung fehle es an einem Wegfall der Geschäftsgrundlage, da das BAG den Abschluss des Vertrags als Risikogeschäft des Arbeitnehmers angesehen hatte.
Rz. 129
In der Entscheidung vom 10.12.1998 hatte das BAG für den Fall des im Insolvenzverfahren vollzogenen Betriebsübergangs einen Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch gegenüber dem Betriebserwerber ebenfalls abgelehnt, weil dies europarechtlich nicht geboten sei. Außerdem kam ein Fortsetzungs- bzw. Wiedereinstellungsanspruch deshalb nicht in Betracht, weil der Arbeitnehmer nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag ausgeschieden war. In der neueren Rechtsprechung wird vertreten, dass ein zunächst gegenüber der Schuldnerin bestehender und dann gegenüber einem Insolvenzverwalter geltend gemachter Wiedereinstellungsanspruch als Insolvenzforderung i.S.v. § 38 InsO zu qualifizieren ist.