A. Allgemeines
I. Sicherungspflegschaft
Rz. 1
Grundsätzlich ist es Aufgabe der Erben, für den Nachlass zu sorgen, der mit dem Erbfall auf sie übergegangen ist. Im Zeitraum zwischen Erbfall und Annahme der Erbschaft, bei Unbekanntheit eines oder mehrerer Miterben oder Ungewissheit darüber, ob ein oder mehrere Miterben die Erbschaft angenommen haben, sorgt das Nachlassgericht für die Sicherung des Nachlasses, soweit ein Sicherungsbedürfnis besteht, § 1960 Abs. 1 BGB; dazu gehört die Bestellung eines Pflegers für denjenigen, der Erbe oder Miterbe wird, § 1960 Abs. 2 BGB. Hingegen ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Nachlasspflegers, Ansprüche der Nachlassgläubiger, damit auch eines Vermächtnisnehmers, zu befriedigen.
II. Klagepflegschaft
Rz. 2
Ein Nachlasspfleger kann außerdem auf Antrag eines Nachlassgläubigers bestellt werden, der gegen den Nachlass einen Anspruch gerichtlich geltend machen oder in den Nachlass vollstrecken will, § 1961 BGB. Diese Pflegschaft dient dem Schutz des Nachlassgläubigers, indem sie entgegen § 1958 BGB eine gerichtliche Geltendmachung von Nachlassverbindlichkeiten bereits vor Annahme der Erbschaft ermöglicht. Auch zum Zwecke einer Zwangsvollstreckung in den Nachlass kann ein Nachlasspfleger nach § 1961 BGB bestellt werden, § 779 Abs. 1 ZPO, denn vor Annahme der Erbschaft scheidet auch eine Zwangsvollstreckung gegen die Erben aus. Für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Gläubigers, z.B. eines Vermieters, bedarf es keiner Werthaltigkeit des Erbes.
III. Teilnachlasspflegschaft
1. Anfängliche Teilnachlasspflegschaft
Rz. 3
Bei mehreren Miterben kommt eine Beschränkung des Wirkungskreises auf die den Nachlass betreffenden Interessen eines Miterben in Betracht, wenn bspw. die anderen Miterben die Erbschaft bereits angenommen haben (Teilnachlasspflegschaft). Der Teilnachlasspfleger ist im Verhältnis zu den anderen Miterben an die Kompetenzordnung der §§ 2033 ff. BGB gebunden und tritt innerhalb dieser Kompetenzordnung lediglich an die Stelle des/der unbekannten Miterben. Er muss deshalb auch an der Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) mitwirken.
2. Nachträgliche Teilnachlasspflegschaft
Rz. 4
Eine umfassende Nachlasspflegschaft endet nicht teilweise mit dem Auftauchen von Miterben und der Erbschaftsannahme durch sie, schrumpft also nicht von sich aus auf die restlichen Erbanteile; § 1918 Abs. 3 BGB greift nicht. Allerdings ist die Nachlasspflegschaft vom Nachlassgericht teilweise aufzuheben, wenn der Grund für die Anordnung teilweise weggefallen ist.
Rz. 5
Die Teilaufhebung entspricht allerdings oft nicht dem Willen der bereits ermittelten Miterben, die lieber den ganzen Nachlass von einem neutralen Nachlasspfleger allein verwalten lassen wollen, als zusammen mit völlig unbekannten, oft entfernt wohnenden Personen und dem Teilnachlasspfleger. Außerdem werden oftmals zahlreiche Miterben in kurzen Abständen bekannt, so dass das Nachlassgericht innerhalb kürzester Zeit eine Vielzahl von Teilaufhebungsbeschlüssen erlassen müsste.
Rz. 6
Deshalb sollte eine Teilaufhebung nur dann erfolgen, wenn ein Miterbe dies verlangt und §§ 1960, 1962, 1919 BGB für diesen Fall insoweit restriktiv angewendet werden, als die ermessenslose Aufhebungsverpflichtung des Nachlassgerichts von Amts wegen sich nicht auf die Fälle bezieht, in denen eine Aufhebung "Stück für Stück" erfolgen müsste. Ohne auf diese Frage einzugehen, scheint auch der BGH dieser Meinung zu sein, wenn er nicht beanstandet, dass ein Nachlasspfleger als Vertreter der unbekannten und der bekannten Miterben klagt.
B. Verfahren
I. Anordnung und Bestellung
Rz. 7
Das Verfahren zur Bestellung eines Nachlasspflegers ist ein FamFG-Verfahren. Das Nachlassgericht ordnet die Nachlasspflegschaft an (§§ 1960, 1915 Abs. 1, 1774 BGB), wählt einen geeigneten Nachlasspfleger aus (§§ 1915 Abs. 1, 1779 Abs. 2 BGB) und bestellt ihn (§§ 1915 Abs. 1, 1789 BGB). Zuständig für die Anordnung der Nachlasspflegschaft ist das Nachlassgericht, § 1962 BGB, am letzten Wohnsitz des Erblassers (§ 343 FamFG), außerdem jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Fürsorgebedürfnis auftritt (§ 344 Abs. 4 FamFG). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2c RPflG. Das Verfahren zur Sicherung des Nachlasses, § 1960 BGB, wird von Amts wegen eingeleitet, ein Nachlasspfleger nach § 1961 BGB wird auf Gläubigerantrag bestellt.
Rz. 8
Ein Miterbe kann nicht als Nachlasspfleger für unbekannte Miterben bestellt werden, weil es hier zu einem Interessenkonflikt in der Person dieses Miterben kommt; der Miterbe wird versucht sein, diesen Konflikt unter Verletzung seiner Amtspflichten zu seinen...