Rz. 224

Eine Verweisung ist nicht möglich, wenn in einer räumlichen Entfernung vom Wohnort, die zumutbar als Arbeitsweg in Kauf genommen werden muss, keine Stellen verfügbar sind. Dabei ist zur Beurteilung auf den Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls abzustellen.[517] Allerdings ist ein für die Erlangung der Verweisungstätigkeit notwendiger Wohnortwechsel nicht generell unzumutbar.[518] Ob und in welchem Umfang dem Versicherten ein Pendeln vom Wohnort zum Arbeitsplatz oder gar ein Umzug in eine andere Stadt zumutbar ist, hängt von der konkreten bisherigen Lebensstellung des Versicherten ab. Es ist nicht statthaft, pauschal darauf abzustellen, dass berufliche Mobilität heutzutage erforderlich und üblich ist. Eine derartige Verweisungsmöglichkeit hängt zum einen ab von der Mobilität, die der Versicherte in seinem bisherigen Berufsleben bereits gezeigt hat und die auch im bisherigen Beruf oder einer zu berücksichtigenden Verweisungstätigkeit üblicherweise erwartet wird. Darüber hinaus können auch soziale und familiäre Bindungen und Verpflichtungen am derzeitigen Wohnort bestehen, die einen berufsbedingten Umzug unzumutbar machen (z.B. Partner und Kinder, Wohneigentum etc.). In der Regel ist daher ein Wohnortwechsel unzumutbar, jedoch ein Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort, wie es heute sozialtypisch ist, zumutbar. Die Frage, welche Entfernung zum Pendeln noch zumutbar ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.[519] Generell wird gelten, dass je geringer der Verdienst bzw. je kürzer die Arbeitszeit, desto kürzer muss die Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Wohnort sein.

 

Beispiele

Für die Ausübung einer geringfügigen Teilzeittätigkeit (450 EUR/Monat) ist eine räumliche Mobilität von maximal 40 km Fahrstrecke zumutbar.[520]
Ein Dachdecker, der wegen Allergien gegen Staub und Pollenflug gesundheitlich außer Stande ist, seinen Beruf im Saarland auszuüben, kann nicht auf eine Tätigkeit als Dachdecker an einem allergenfreien Ort an der See oder im Gebirge verwiesen werden.[521]
Ein Heilpraktiker kann nicht auf eine Ausübung dieser Tätigkeit im Angestelltenverhältnis verwiesen werden, wenn der Beruf des angestellten Heilpraktikers im maßgeblichen geographischen Bezirk nicht existent ist.[522]
[517] Vgl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 30.11.2011 – 31, 5 U 123/09.
[518] OLG Düsseldorf VersR 1996, 879; a.A. Rüther, NVersZ 1999, 497, 499.
[519] OLG Saarbrücken, VersR 1994, 969; OLG Nürnberg VersR 2015, 833.
[520] OLG Nürnberg VersR 2015, 833.
[521] OLG Saarbrücken VersR 2003, 50.
[522] LG Saarbrücken VersR 1999, 1534.

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