Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 16
Berufsunfähig ist gemäß § 172 Abs. 2 VVG, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Diese Legaldefinition ist jedoch dispositiv, da § 175 VVG nicht auf § 172 VVG verweist. Abweichungen vom gesetzlichen Leitbild sind daher nicht grundsätzlich unstatthaft, soweit es um das Leistungsversprechen geht und eine Abweichung nicht erheblich in rechtlich geschützte Interessen des Versicherungsnehmers eingreift. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Einschränkungen des Leistungsversprechens aufgrund einer Risikoprüfung interessengerecht für beide Vertragspartner sind. Ausgeschlossen ist ein erheblicher Eingriff in die Interessen des Vertragspartners dann, wenn andernfalls aufgrund der Risikoprüfung statt jedenfalls eingeschränktem gar kein Schutz geboten werden könnte.
I. Begriff der Berufsunfähigkeit
Rz. 17
Nach § 172 Abs. 2 VVG ist für die Beurteilung der zuletzt ausgeübte Beruf, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung, also in gesunden Tagen, ausgestaltet war, maßgeblich. Der vom Versicherungsnehmer behauptete Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit ist zugleich der maßgebliche Zeitpunkt für die Entscheidung, ob er nicht mehr in der Lage war, seinem zuletzt ausübten Beruf nachzugehen. Hierbei entspricht der Gesetzeswortlaut und auch dessen Umsetzung in § 2 BUZ der in den früheren Bedingungen enthaltenen Definition unter Berücksichtigung der Ausprägung, welche diese durch die Rechtsprechung des BGH erhalten hat.
Entscheidend ist grundsätzlich ein Vergleich der Tätigkeiten, die der Versicherte bei Anzeige des Versicherungsfalls noch ausüben kann, mit denen, die er bei ungeschmälerter Leistungsfähigkeit ausüben konnte. Wird leidensbedingt die Arbeitszeit reduziert und der Arbeitsplatz als "Schonarbeitsplatz" umgestaltet, ist diese neu gestaltete Tätigkeit nicht Grundlage der Beurteilung der Berufsunfähigkeit. Hat der Versicherte gerade wegen der Beeinträchtigung, die zur Berufsunfähigkeit führt, eine weniger belastende Stellung angenommen, ist regelmäßig auf den zuvor ausgeübten Beruf abzustellen. In § 2 der MB-BUV/BUZ 22 wird ebenfalls bestimmt, dass es auf den zuletzt ausgeübten Beruf der versicherten Person ankommt, so, wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war. Damit ist klargestellt, dass es nicht auf den erlernten Beruf der versicherten Person ankommt. Der Versicherungsschutz besteht also unabhängig davon, ob während der Vertragsdauer ein anderer Beruf ergriffen und im Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübt wurde. Es kommt grundsätzlich auf den zuletzt ausgeübten Beruf an. Daher ist es auch nicht relevant, ob bei Vertragsschluss ein bestimmter Beruf angegeben wurde oder im Versicherungsschein Erwähnung findet. Vorbehaltlich einer abweichenden Individualvereinbarung besteht daher keine Anzeigepflicht bei einem Berufswechsel, ungeachtet, ob mit dem neuen Beruf eine Gefahrerhöhung verbunden ist. Um wirksam zu sein, muss eine Vereinbarung der maßgeblichen Gefahrerhöhungsumstände in Textform vorliegen (§ 158 Abs. 1 VVG), was in der Regel nicht der Fall ist.
1. Berufliche Tätigkeit
Rz. 18
Eine Definition des Berufs ist in der Regel vertraglich nicht vorgegeben und muss daher anderweitig bestimmt werden. Grundsätzlich ist der Begriff "Beruf" weit zu verstehen und nicht im Sinne eines bestimmten Berufsbildes. Ein Beruf kann daher jede Tätigkeit sein, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient. Beruf ist danach nicht nur die aufgrund einer persönlichen "Berufung" ausgewählte und aufgenommene Tätigkeit, sondern jede auf Erwerb gerichtete Beschäftigung, die sich nicht in einem einmaligen Erwerbsakt erschöpft. Dass diese Tätigkeit nach der Rechtsordnung erlaubt sein muss, versteht sich von selbst.
Rz. 19
Demgemäß erlegt § 7 Abs. 1d MB BUV 22/§ 4 Abs. 1d MB BUZ 22 dem Versicherten auf, eine Beschreibung des zuletzt ausgeübten Berufs der versicherten Person, deren Stellung und Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit sowie von danach eingetretene Veränderungen vorzulegen...