Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
Rz. 99
Berufsunfähigkeit liegt bei einem mitarbeitenden Betriebsinhaber erst dann vor, wenn dieser auch bei Vornahme möglicher und zumutbarer Umorganisation seines Betriebes, die ihm keine auf Dauer ins Gewicht fallende Einkommenseinbuße eintragen würde, außerstande bleibt, in einem die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließenden Umfang im Betrieb mitzuarbeiten. Ein mitarbeitender Betriebsinhaber hat daher grundsätzlich zunächst vorzutragen und erforderlichenfalls zu beweisen, wie sein Betrieb vor seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung organisiert gewesen ist und in welcher Art und in welchem Umfang er bis dahin mitgearbeitet hat.
Rz. 100
Häufig werden in den Bedingungen die Fragen der zumutbaren Betriebsumorganisation angesprochen. Beispielsweise heißt es dort:
Zitat
Eine der bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit darf keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und auch hinsichtlich Verfügung und Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinken.
Gleiches gilt für Selbstständige und Freiberufler, wenn diese ihren Arbeitsplatz sowie ihren Tätigkeitsbereich in zumutbarer Weise umorganisieren können. Eine Umorganisation ist zumutbar, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig ist, vom Versicherungsnehmer oder dem Versicherten aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschäfte des Unternehmens realisiert werden kann, keinen erheblichen Kapitalaufwand erfordert und der versicherten Person ein ausreichender Tätigkeitsbereich verbleibt, der der bisherigen Lebensstellung entspricht.
Ist eine Umorganisation tatsächlich erfolgt, bei der der versicherten Person ein ausreichender Tätigkeitsbereich verbleibt, der der bestehenden Lebensstellung entspricht, liegt Berufsunfähigkeit nicht vor. Dies gilt unabhängig davon, welchen Kapitalaufwand die Umorganisation erfordert hat und/oder ob sie wirtschaftlich zweckmäßig war.“ Hierbei wird allerdings von der Rechtsprechung verlangt, dass die Umorganisation dem Versicherten keine auf Dauer ins Gewicht fallenden Einkommenseinbußen einträgt.
Rz. 101
Bei Selbstständigen und Freiberuflern greift die bei Angestellten vorzunehmende lineare zeitliche Betrachtung nicht, weil diese kraft ihres Organisationsrechts ihre Arbeitsgeschwindigkeit und ihre Pausenhäufigkeit grundsätzlich frei bestimmen können. Wenn der Versicherte weiterhin die Arbeitszeiten aus gesunden Tagen nicht überschreitet, sondern diese lediglich mit längeren Pausen anfüllt, ist er nicht zu 50 % berufsunfähig, wenn er in dieser Zeit trotzdem noch mehr als 50 % seines früheren Arbeitsumfanges bewältigen kann.
Rz. 102
Zur Feststellung der Berufsunfähigkeit eines mitarbeitenden Betriebsinhabers muss zunächst – genau wie bei jedem anderen Versicherten – die Voraussetzung erfüllt sein, dass er zu seiner konkreten beruflichen Tätigkeit, so wie sie bis zum Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung nach Art, Umfang und Häufigkeit ausgestaltet war, in einem Ausmaß nicht mehr imstande ist, nach welchem bedingungsgemäß Berufsunfähigkeit vorliegt. Darüber hinaus muss der mitarbeitende Betriebsinhaber aber auch noch darlegen und nachweisen, dass ihm eine zumutbare Betriebsorganisation keine gesundheitlich noch zu bewältigende Betätigungsmöglichkeit eröffnen kann, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ausschließen würde. Eine Umorganisation ist nicht zumutbar, wenn für den vormals mitarbeitenden Chef im Ergebnis kein angemessener Tätigkeitsbereich, z.B. in Form von Büroarbeiten, mehr verbleibt, weil derartige Arbeiten nicht ausreichend anfallen.
Rz. 103
Die Umorganisation darf nicht zu erheblichen Einkommenseinbußen führen; ansonsten ist sie ebenfalls unzumutbar. Zur Prüfung der Frage, ob die Umorganisation dem Versicherten wirtschaftlich zumutbar ist, hat dieser Steuererklärungen, Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen nach entsprechender Aufforderung vorzulegen. Die substantiierte Darlegung bestimmter Einkünfte kann nicht durch das "Zeugnis des Steuerberaters" ersetzt werden, da dessen Einvernahme auf bloße Ausforschung hinauslaufen würde.
Rz. 104
Die Beweislast für die Unmöglichkeit der selbstständigen Tätigkeit nach Umorganisation trägt der Versicherungsnehmer. Anders ist es bei dem Verweis auf eine andere gleichwertige Tätigkeit. Diese Möglichkeit hat grundsätzlich der Versicherer darzulegen und nachzuweisen (vgl. dazu Rdn 169 ff.).
Rz. 105
Auch bei Selbstständigen kommt es als Vergleichsmaßstab darauf an, wie die Tätigkeit in gesunden Tagen ausgestaltet war. Hier ist besonders darauf zu achten, dass auf den richtigen Stichtag abgestellt wird.
Wichtig
Hat ein Selbstständiger leidensbedingt eine Umorganisation bzw. die Einstellung einer Hilfsperson vorgenommen, so kommt es darauf an, ob dies vor oder nach der gesundheitlichen Einschränkung erfolgte; bei einer vorausgehenden Einstellung macht ihn eine nachträglich eingetretene Unfähigkeit, eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, nicht berufsunfähig.
Der Se...