Rebecca Vollmer, Dr. Wolfgang Dunkel
1. Sonderbedingungen für Definition der Berufsunfähigkeit und Verweisung
Rz. 116
Für einige Berufsgruppen sind besondere Bedingungen auf dem Markt, die unter bestimmten Bedingungen eine Fiktion der Berufsunfähigkeit und eine nur eingeschränkte Verweisbarkeit statuieren. Das hat seinen Grund darin, dass Angehörige dieser Berufsgruppen, die ihren konkreten Beruf nicht mehr ausüben können, kaum die Möglichkeit haben, eine andere Tätigkeit auszuüben, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Dies gilt insbesondere für Juristen, Wirtschaftsprüfer und Ärzte.
Der Chefarzt einer Abteilung in einem Krankenhaus wird beispielsweise nicht auf eine Tätigkeit als Gutachter bei einem Sozialversicherungsträger verwiesen werden können, da er mit dieser Tätigkeit unterfordert ist und diese auch finanziell und sozial seiner bisherigen Lebensstellung nicht entspricht, obwohl es sich noch um eine ärztliche Tätigkeit handelt.
Rz. 117
So gibt es beispielsweise Klauseln für Angehörige der Heilberufe:
Zitat
"Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauerhaft außerstande ist, eine Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Psychotherapeut auszuüben."
Entsprechend heißt es in der Klausel mit der Vermutung der Prognose voraussichtlicher Dauerhaftigkeit:
Zitat
"Ist der Versicherte mindestens sechs Monate lang ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, eine Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Psychotherapeut auszuüben, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit."
Auch gilt für Heilberufe zusätzlich oftmals:
Zitat
"Hat die versicherte Person innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt der Berufsunfähigkeit auf Weisung des Arbeitgebers eine andere Tätigkeit ausgeübt, so wird auf Wunsch der versicherten Person die vorherige berufliche Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Psychotherapeut bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit berücksichtigt."
Rz. 118
Mit solchen Klauseln wird einerseits der Kreis der Verweisungsberufe zugunsten der Versicherungsnehmer dieser Berufsgruppen auf den jeweils erlernten Basisberuf beschränkt. Dies ist jedoch nicht unbedingt vorteilhaft, denn es ist andererseits zu Lasten des Versicherten nicht mehr zu prüfen, ob die Verweisungstätigkeit auch dessen Kenntnissen und Fähigkeiten und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, solange er nur im erlernten Heilberuf arbeitet. Ob also beispielsweise diese andere Tätigkeit als Arzt den Betreffenden erheblich unterfordert und mit einer deutlichen finanziellen Schlechterstellung oder einer erheblichen Reduzierung der sozialen Wertschätzung verbunden ist, ist dann irrelevant.
Es gibt jedoch auch für die vorbezeichneten Berufe Bedingungen, die an die bisherige Lebensstellung anknüpfen.
Rz. 119
Gerade bei Sondergruppen werden aber teilweise auch besondere Anforderungen an die Umorganisation bei Selbstständigen gestellt. So heißt es etwa für Heilberufe:
Zitat
"Bei einer als niedergelassener oder freiberuflicher Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker oder Psychotherapeut tätigen versicherten Person setzt Berufsunfähigkeit zusätzlich voraus, dass sie außerstande ist, durch zumutbare Umorganisation ihres Arbeitsplatzes oder ihres Tätigkeitsbereichs sowie durch Zuweisung betrieblich anfallender Arbeitsabläufe an Mitarbeiter sich ein Tätigkeitsfeld zu schaffen, das mindestens 50 %-ige Berufsunfähigkeit ausschließt. Eine Umorganisation ist zumutbar, wenn sie wirtschaftlich zweckmäßig ist, vom Versicherungsnehmer oder der versicherten Person aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Geschicke des Unternehmens realisiert werden kann, nicht zu einer auf Dauer ins Gewicht fallenden Einkommenseinbuße führt und keinen erheblichen Kapitalaufwand erfordert. Die Stellung als Betriebsinhaber muss erhalten bleiben."
Rz. 120
Das Risiko der Verweisbarkeit wird des Weiteren dadurch gemildert, dass für diese Berufe häufig eine Altersobergrenze für die Verweisbarkeit vereinbart wird, beispielsweise wie folgt:
Zitat
"Eine Verweisung auf die genannte andere Tätigkeit ist aber ausgeschlossen, wenn … der Versicherte bei Eintritt der Berufsunfähigkeit das 55. Lebensjahr bereits vollendet hat, … der Versicherte das 50. Lebensjahr vollendet hat und der zuletzt ausgeübte Beruf mindestens 10 Jahre lang ununterbrochen ausgeübt wurde."
Rz. 121
Für Zahnärzte wurde mitunter die sog. Stuhlklausel vereinbart. Ihr zufolge tritt Berufsunfähigkeit bei gesundheitsbedingter Unfähigkeit ein, die Berufstätigkeit "als Zahnarzt am Stuhl" auszuüben. Diese Klausel beinhaltet eine deutlich eingeschränkte Verweisbarkeit, weil dann eben nicht mehr auf beliebige andere Tätigkeiten im Zahnarztberuf verwiesen werden kann.
Bei einigen Versicherern gibt es auch für andere Berufsgruppen, wie Schiffs- oder Flugzeugper...