1. Bereits im Ermittlungsverfahren

 

Rz. 35

Deckungsschutz besteht für bereits im Ermittlungsverfahren vom Verteidiger eingeholte Sachverständigengutachten (§ 2 lit. e ARB; § 5 lit. f ARB). Das gilt auch für den dem Sachverständigen nach Einholung eines weiteren gerichtlichen Gutachtens erteilten Auftrag zur Stellungnahme (AG Saarlouis, Urt. v. 1.12.17 - 28 C 845/16).

Der Sachverständige muss allerdings öffentlich bestellt (AG Köln JurBüro 1992, 23) oder Angehöriger einer rechtsfähigen Sachverständigenorganisation (TÜV, Dekra) sein (§ 5 lit. f ARB).

Die Frage, ob das Gutachten zur Verteidigung erforderlich ist, bestimmt der Verteidiger und nicht der Rechtsschutzversicherer.

 

Achtung: Kein Weisungsrecht des Versicherers nach § 17 ARB

Viele Versicherer wollen ihrem VN die Beauftragung eines bestimmten Sachverständigenbüros vorschreiben und zahlen dann die durch die Beauftragung eines anderen Sachverständigen entstandenen Mehrkosten mit der Begründung nicht, der VN habe gegen seine in § 17 Abs. 1 ARB normierte Schadensminderungspflicht verstoßen und § 17 Abs. 1 lit. c. bb) S. 4 ARB berechtige den Versicherer zu kostenorientierten Weisungen, die der VN bzw. sein Anwalt zu befolgen hätten.

Das hat der BGH mit Urt. v. 14.8.2019 (zfs 2019, 571) mit der Begründung abgelehnt, diese Klausel sei als intransparent unwirksam. Gleichzeitig hat er auch die Zurechnungsklausel des § 17 Abs. 7 ARB, über die das Verschulden des Anwaltes dem VN zugerechnet werden konnte, als eine - weil unangemessen benachteiligende - unwirksame Klausel eingestuft.

 

Praxistipp

Das Gericht muss sich mit dem Gutachten auseinandersetzen. Hat der Verteidiger in einem Bußgeldverfahren ein solches Sachverständigengutachten vorgelegt, ist die Beweisaufnahme auch auf die inhaltliche Würdigung des Gutachtens zu erstrecken. Dabei muss das Urteil entweder dessen Inhalt mitteilen oder sich in anderer Form inhaltlich mit dem Gutachten auseinandersetzen. Anderenfalls ist das Urteil auf die Sachrüge hin aufzuheben (OLG Jena DAR 2013, 161).

2. Selbstladung

 

Rz. 36

Die Kosten der vom Verteidiger nach § 220 StPO geladenen Zeugen und Sachverständigen müssen als Verfahrenskosten vom Rechtsschutzversicherer dann übernommen werden, wenn das Gericht die Vernehmung als sachdienlich erachtet (BGH NStZ 1999, 632), weshalb der Verteidiger in diesen Fällen einen Antrag nach § 220 Abs. 3 StPO stellen muss (zum Selbstladungsrecht siehe § 3 Rdn 23; § 49 Rdn 24 ff.).

 

Rz. 37

 

Achtung: Eingeschränkte Ablehnungsmöglichkeit

Ein vom Verteidiger dann gestellter Beweisantrag kann - jedenfalls im Strafrecht - nicht gem. § 244 Abs. 4 StPO abgelehnt werden (BGH NStZ 2008, 109), denn es handelt sich um ein präsentes Beweismittel i.S.d. § 245 StPO. Im Bußgeldverfahren ist zu beachten, dass § 77 Abs. 1 OWiG für die Beweisaufnahme die StPO-Vorschriften und damit auch § 245 StPO verdrängt, weshalb hier eine Pflicht zur Erstreckung der Beweisaufnahme auf sämtliche präsenten Beweismittel nicht besteht (OLG Hamm VRS 57, 35).

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