a) Grundsatz
Rz. 14
Der Bedarf der nichtehelichen Kindsmutter bestimmt sich nach deren Lebensstellung und damit nach deren Einkünfte, die sie ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte (vgl. Fälle 23 und 24, siehe § 5 Rdn 1, 40).
BGH, Beschl. v. 15.5.2019 – XII ZB 357/18 Rn 23
Das Oberlandesgericht ist dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass für die Bedarfsbemessung gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB – jedenfalls zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen – auf die Lebensstellung der Antragstellerin, das heißt auf das Einkommen abzustellen ist, das sie als Lehrerin ohne die Geburt des Kindes erzielt hätte. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die absehbaren Gehaltssteigerungen für die Antragstellerin mit in seine Erwägungen einbezogen hat (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 205, 342 = FamRZ 2015, 1369 Rn 34).
BGH, Beschl. v. 10.6.2015 – XII ZB 251/14 Tz. 34 = BeckRS 2015, 11758
Die Lebensstellung des nach den §§ 1615l Abs. 2, 1610 Abs. 1 BGB Unterhaltsberechtigten richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte. Sie ist deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben, so dass sich später ein höherer Bedarf ergeben kann (teilweise Aufgabe der Senatsurteile BGHZ 184, 13 = FamRZ 2010, 357 und vom 13.1.2010 – XII ZR 123/08, FamRZ 2010, 444). (amtlicher Leitsatz)
Die neKM hatte vor der Geburt ein Nettoeinkommen von 1.200 EUR. Einkommenssteigerungen sind ihr durch Geburt und Kindererziehung nicht entgangen. Ihr Bedarf beträgt somit grundsätzlich 1.200 EUR.
b) Obergrenze für den Bedarf der neKM: Fiktion einer Ehe zwischen M und neKM
Rz. 15
Der Bedarf kann jedoch nicht höher sein als der, den die neKM hätte, wenn sie mit M verheiratet wäre (vgl. Fall 25, siehe § 5 Rdn 47). Deshalb ist für neKM ein fiktiver Ehegattenunterhalt zu berechnen.
BGH, Urt. v. 16.7.2008 – XII ZR 109/05
Obergrenze ist der Unterhaltsbetrag, der im Falle einer (gedachten) Ehe mit dem Kindsvater geschuldet wäre.
Zunächst hatte der BGH offen gelassen, ob eine Begrenzung des Bedarfs nach dem Halbteilungsgrundsatz geboten ist oder ob der Halbteilungsgrundsatz nur bei der Frage der Leistungsfähigkeit (eheangemessener Selbstbehalt) zu wahren ist.
BGH, Urt. v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14 Tz. 21
Demnach kann auch offen bleiben, ob die Senatsrechtsprechung zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB im Wege des Halbteilungsgrundsatzes (Senatsurteil vom 15.12.2004 – XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442) zu überprüfen ist und ob es sich hierbei um eine Frage des Bedarfs oder der Leistungsfähigkeit handelt.
Mittlerweile ist klar gestellt, dass der Halbteilungsgrundsatz bereits auf Bedarfsebene zu wahren ist.
BGH, Beschl. v. 15.5.2019 – XII ZB 357/18 Rn 23
Das Oberlandesgericht hat weiter zu Recht darauf hingewiesen, dass der unterhaltsberechtigten Mutter aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen jedenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen darf, als dem unterhaltspflichtigen Vater verbleibt, weshalb ihr Unterhaltsbedarf zusätzlich durch den Grundsatz der Halbteilung begrenzt ist (Senatsurteil vom 15.12.2004 – XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442, 443 ff.).
Für die Berechnung des (hier nur fiktiven) Ehegattenunterhalts kann nicht – der Unterhaltsanspruch nach § 1615l entstand erst nach Rechtskraft der Scheidung – die Dreiteilungsmethode (gleichzeitige Bedarfsermittlung für M, F1 und neKM) herangezogen werden (vgl. Fall 33, siehe § 9 Rdn 1). Der Unterhaltsanspruch bzw. Bedarf ist für jeden der konkurrierenden Unterhaltsansprüche auf Ehegattenunterhalt nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln.
Bedarf von neKM im Falle einer gedachten Ehe:
aa) Bedarfsbestimmendes Einkommen des M in Bezug auf neKM (bei gedachter Ehe)
Rz. 16
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.000 EUR.
Vorweg ist der Kindesunterhalt für das Kind neK abzuziehen. Der Kindesunterhalt hat die gedachte Ehe von M und neKM geprägt.
Nach Abzug des Kindesunterhalts (s.o.) verbleiben 2.673,50 EUR (3.000 – 326,50 EUR).
Nunmehr kommt die Besonderheit, dass die Unterhaltspflicht des M gegenüber seiner ersten Frau F1 die (wiederum nur gedachten) ehelichen Lebensverhältnisse von M und neKM bereits geprägt hat. Deshalb ist auch die Unterhaltspflicht gegenüber F1 einkommensmindernd. Dieser Unterhaltsanspruch wurde oben – jedenfalls als rechnerisches Zwischenergebnis – mit 1.350 EUR ermittelt.
Danach beträgt das (fiktive) bedarfsbestimmende Einkommen des M im Verhältnis zu neKM: 1.323,50 EUR (3.000 – 326,50 – 1.350).
Der 10 %ige Erwerbstätigenbonus (132 EUR) ist noch abzuziehen.
Danach beträgt das bedarfsbestimmende Einkommen des M im Verhältnis zu neKM: 1.191,50 EUR (1.323,50 – 132 EUR).
bb) Bedarfsbestimmendes Einkommen der neKM (bei gedachter Ehe)
Rz. 17
Die neKM hat kein Einkommen.
cc) Halbteilung
Rz. 18
Der Bedarf betrüge – im Falle einer Ehe – somit nach dem Halbteilungsgrundsatz 596 EUR (1.191,50 × ½).
Der eben ermittelte Betrag von 596 EUR unterschreitet den Mindestbedarf. Deshalb ist der Mindestbedarf von 960 EUR anzusetzen.
SüdL
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Die Bemessung des nachehelichen Unterhalts richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB). Der Bedarf des Ehegatten beträg...