Fall 49: M 3.000 EUR – neKM 0 EUR; früher 1.200 EUR + neK (1 J) – F1 0 EUR – nacheheliches Kind: keine Prägung; Wechselwirkung beim Partnerunterhalt –
Rz. 1
Die Ehe von M und F1 wurde nach kurzer Dauer geschieden. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. M ist Vater des nichtehelichen Kindes neK, das nach Rechtskraft der Scheidung der Ehe von M und F1 geboren wurde. Das 1-jährige Kind wird von seiner Mutter neKM, mit der M nicht zusammenlebt, betreut. M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.000 EUR. NeKM hat wegen der Betreuung des Kindes kein Einkommen. Vor der Geburt des Kindes hatte neKM ein monatliches Nettoeinkommen von 1.200 EUR, das sie ohne Geburt des Kindes auch heute erzielen würde. F1, die hier unterhaltsberechtigt sein soll, kann ebenfalls kein Einkommen erzielen. F1, K1, neKM und K2 verlangen Unterhalt von M.
I. Kindesunterhalt
Rz. 2
Der Bedarf von Kindern richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Fall 1 verwiesen (siehe § 1 Rdn 1).
M hat ein Einkommen von 3.000 EUR.
Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 4 (2.701 – 3.100 EUR) zur Anwendung.
Es sind 3 Unterhaltsberechtigte vorhanden. Die DT geht von 2 Unterhaltsberechtigten aus.
Eine Herabstufung ist deshalb geboten, und zwar um eine Gruppe, so dass Gruppe 3 (2.301 – 2.700 EUR) heranzuziehen ist.
Kind neK ist 1 Jahr alt, es fällt also in die Altersstufe 1.
Sein Bedarf beträgt damit grundsätzlich 436 EUR.
Das halbe Kindergeld (109,50 EUR) ist bedarfsdeckend anzurechnen.
Der Unterhalt für neK beträgt somit 326,50 EUR (436 – 109,50 EUR).
II. Ehegattenunterhalt und Unterhalt der nichtehelichen Kindsmutter: Reihenfolge der Ermittlung
Rz. 3
Rangfragen haben erst bei der Frage der Leistungsfähigkeit des M Bedeutung.
Es gibt keine zwingende Reihenfolge für die Ermittlung der Unterhaltsansprüche. Aber sinnvoller scheint es, zunächst den Ehegattenunterhalt zu ermitteln, weil dieser Unterhaltsanspruch bereits dadurch Auswirkungen auf den Bedarf der neKM haben kann, weil er dem Unterhaltsanspruch der neKM zeitlich vorausging.
Zwar bestimmt sich der Bedarf der nichtehelichen Kindsmutter grds. danach, was sie heute ohne die Geburt des Kindes verdienen würde (vgl. im Einzelnen Fälle 23 und 24, siehe § 5 Rdn 1, 22).
BGH, Beschl. v. 15.5.2019– XII ZB 357/18 Rn 23
Das Oberlandesgericht ist dem Grunde nach zutreffend davon ausgegangen, dass für die Bedarfsbemessung gemäß § 1615l Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 1610 Abs. 1 BGB – jedenfalls zu Lebzeiten des Unterhaltspflichtigen – auf die Lebensstellung der Antragstellerin, das heißt auf das Einkommen abzustellen ist, das sie als Lehrerin ohne die Geburt des Kindes erzielt hätte. Demgemäß ist es nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht die absehbaren Gehaltssteigerungen für die Antragstellerin mit in seine Erwägungen einbezogen hat (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 205, 342 = FamRZ 2015, 1369 Rn 34).
BGH, Beschl. v. 10.6.2015 – XII ZB 251/14 Tz. 34 = BeckRS 2015, 11758
Die Lebensstellung des nach den §§ 1615l Abs. 2, 1610 Abs. 1 BGB Unterhaltsberechtigten richtet sich danach, welche Einkünfte er ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte. Sie ist deshalb nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben, so dass sich später ein höherer Bedarf ergeben kann (teilweise Aufgabe der Senatsurteile BGHZ 184, 13 = FamRZ 2010, 357 und vom 13.1.2010 – XII ZR 123/08, FamRZ 2010, 444). (amtlicher Leitsatz)
Aber der Bedarf der neKM kann nicht höher sein als der, den die neKM hätte, wenn sie mit M verheiratet wäre (vgl. Fall 25, siehe § 5 Rdn 47).
BGH, Urt. v. 16.7.2008 – XII ZR 109/05
Obergrenze ist der Unterhaltsbetrag, der im Falle einer (gedachten) Ehe mit dem Kindsvater geschuldet wäre (Begrenzung durch Halbteilungsgrundsatz).
Deshalb wird für neKM fiktiv der Ehegattenunterhalt zu berechnen sein.
Zunächst hatte der BGH allerdings offen gelassen, ob eine Begrenzung des Bedarfs nach dem Halbteilungsgrundsatz geboten ist oder ob der Halbteilungsgrundsatz nur bei der Frage der Leistungsfähigkeit (eheangemessener Selbstbehalt) zu wahren ist.
BGH, Urt. v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14 Tz. 21
Demnach kann auch offen bleiben, ob die Senatsrechtsprechung zur Begrenzung des Unterhaltsanspruchs nach § 1615l Abs. 2 Satz 2 BGB im Wege des Halbteilungsgrundsatzes (Senatsurteil vom 15.12.2004 – XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442) zu überprüfen ist und ob es sich hierbei um eine Frage des Bedarfs oder der Leistungsfähigkeit handelt.
Mittlerweile ist klargestellt, dass der Halbteilungsgrundsatz bereits auf Bedarfsebene zu wahren ist.
BGH, Beschl. v. 15.5.2019– XII ZB 357/18 Rn 23
Das Oberlandesgericht hat weiter zu Recht darauf hingewiesen, dass der unterhaltsberechtigten Mutter aus eigenen Einkünften und Unterhaltszahlungen jedenfalls nicht mehr zur Verfügung stehen darf, als dem unterhaltspflichtigen Vater verbleibt, weshalb ihr Unterhaltsbedarf zusätzlich durch den Grundsatz der Halbteilung begrenzt ist (Senatsurteil vom 15.12.2004 – XII ZR 121/03, FamRZ 2005, 442, 443 ff.).
Für die Berechnung des fiktiven Ehegattenunterhalts kann bei der vorliegenden Fallgestaltung – Geburt des Kindes nach Rechtskraft der Scheidung – nicht die Dreiteilungsmethode, die von einer Wandelbarkeit der ehelichen Lebensverhältnisse ausgeht, herangezogen werden ...