Rz. 95

Normalerweise läuft das zivilrechtliche Verfahren ohne Verzögerungen nach dem vorher beschriebenen Muster ab. Es gibt jedoch Situationen, in denen das Verfahren entweder nicht weiter betrieben werden kann, oder wo es nicht sinnvoll ist, das Verfahren für eine bestimmte Zeit weiter zu betreiben. In diesen Fällen wird das Verfahren entweder unterbrochen, ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht.

I. Unterbrechung

 

Rz. 96

Unterbrechung ist der Stillstand des Verfahrens unabhängig vom Willen und von der Kenntnis der Parteien. Die Unterbrechung des Verfahrens tritt allein kraft Gesetzes in den folgenden Situationen ein.

1. Tod einer Partei

 

Rz. 97

Anwaltlich nicht vertretene Partei

Stirbt im laufenden Verfahren eine nicht anwaltlich vertretene Partei, tritt eine Unterbrechung des Verfahrens ein, § 239 ZPO.

 

Rz. 98

Anwaltlich vertretene Partei

War die verstorbene Partei anwaltlich vertreten, tritt diese Folge nicht automatisch ein. Das Gericht hat jedoch auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Verstorbenen oder auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen, § 246 Abs. 1 ZPO.

 

Rz. 99

Beendigung

Die Unterbrechung endet, sobald der Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei den Rechtsstreit aufnimmt, §§ 239 Abs. 1, 246 ZPO. Die Aufnahme erfolgt durch Einreichung eines dem Gegner zuzustellenden Schriftsatzes bei Gericht. Nimmt der Rechtsnachfolger den Rechtsstreit nicht von sich aus auf, lädt das Gericht nach angemessener Frist ihn und den Gegner zu einem Verhandlungstermin. In diesem wird über die Rechtsnachfolge verhandelt, soweit diese streitig ist. Außerdem wird über die Hauptsache verhandelt. Erscheint der Rechtsnachfolger trotz Ladung nicht, wird die Rechtsnachfolge als zugestanden angesehen und über die Hauptsache verhandelt. Insoweit kann gegen den Rechtsnachfolger auch ein Versäumnisurteil ergehen.

 

Rz. 100

 

Büromäßige Behandlung

Stirbt ein Mandant, sollte der Rechtsanwalt diesen Umstand dem Gericht in jedem Fall anzeigen und die Aussetzung des Verfahrens beantragen. Er hat dann Zeit, nach manchmal schwieriger Klärung, wer der Erbe ist, mit dem/den Erben die Fortführung des Verfahrens zu besprechen. Die notwendigen Gespräche mit den Rechtsnachfolgern sollten wegen der nach wie vor bestehenden Prozessförderungspflicht möglichst schnell geführt und dem Verfahren sodann Fortgang gegeben werden.

2. Prozessunfähigkeit

 

Rz. 101

Eine Unterbrechung des Verfahrens tritt weiterhin ein, wenn eine der Parteien prozessunfähig wird oder ihr gesetzlicher Vertreter stirbt, verhindert ist oder seine Geschäftsfähigkeit verliert.

Die Unterbrechung endet hier, wenn der neue gesetzliche Vertreter sich für die Partei bestellt.

3. Tod des Rechtsanwalts einer Partei

 

Rz. 102

Gemäß § 244 Abs. 1 ZPO wird ein Anwaltsprozess unterbrochen, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei stirbt oder sonst nicht mehr in der Lage ist, das Verfahren weiterzuführen. Die Unterbrechung wird durch Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten beendet. Verzögert die anwaltlich nicht mehr vertretene Partei die Bestellung eines neuen Anwalts, kann das Gericht sie zur Hauptverhandlung mit der Aufforderung laden, einen Anwalt zu bestellen. Die Vorschrift aus § 244 Abs. 1 ZPO ist nicht anzuwenden, wenn eine Sozietät mandatiert war und mindestens ein Sozius beim Tod des verstorbenen Rechtsanwalts noch vorhanden ist.

4. Insolvenzverfahren

 

Rz. 103

Eine Verfahrensunterbrechung bewirkt gem. § 240 ZPO auch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen einer Partei. Gleichzeitig erlischt mit der Insolvenzeröffnung die Prozessvollmacht des Rechtsanwalts.

Die Beendigung der Unterbrechung erfolgt, wenn das Insolvenzverfahren aufgehoben oder – beispielsweise mangels Masse – eingestellt wird. Ebenso endet sie, wenn der Insolvenzverwalter den Streitgegenstand freigibt.

5. Stillstand der Rechtspflege

 

Rz. 104

Auch ein Stillstand der Rechtspflege, der durch Krieg oder ein anderes Ereignis herbeigeführt wird, § 245 ZPO, führt zu einer Verfahrensunterbrechung, die mit Aufhören des die Unterbrechung begründenden Zustandes endet.

6. Wirkung der Unterbrechung

 

Rz. 105

Die Unterbrechung hat die nachgenannten Folgen:

Alle Fristen, auch Notfristen, hören auf zu laufen, § 249 ZPO. Wird die Unterbrechung beendet, laufen alle Fristen von neuem.
Prozesshandlungen, die während einer Unterbrechung der anderen Partei gegenüber vorgenommen wurden, sind unwirksam, § 249 Abs. 2 ZPO.
Gerichtliche Entscheidungen und Handlungen sind unwirksam, soweit nicht § 249 Abs. 3 ZPO eingreift.

7. Wiederaufnahme des Verfahrens

 

Rz. 106

Die Aufnahme des Verfahrens erfolgt durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht, das diesen dem Prozessgegner zustellt. In dem Schriftsatz sind die Umstände zu benennen und zu belegen, denen zufolge die Unterbrechung beendet worden ist.

 

Rz. 107

Muster 6: Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Tod einer Partei

 

Muster: Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Tod einer Partei

An das

Landgericht Berlin

Karmeliterweg 14

13465 Berlin

In Sachen

Meier ./. Müller

15 O 345/19

nehme ich für die Rechtsnachfolger der verstorbenen Beklagten den Rechtsstreit wieder auf und beantrage,

alsbald Verhandlungstermin zu bestimmen.

Begründung:

Mit Rücksicht auf den Tod der Beklagten wurde das Verfahren durch Be...

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