Rz. 132
Grundsätzlich können Urteile nur mit den Rechtsmitteln der Berufung oder Revision angegriffen werden.
I. Urteilsberichtigung (§ 319 ZPO)
Rz. 133
Daneben sah das bisherige Zivilprozessrecht die Möglichkeit einer Berichtigung des erstinstanzlichen Urteils auch unter den Voraussetzungen des § 319 ZPO vor, d.h. im Fall von Schreibfehlern, Rechnungsfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten. Diese Berichtigung, die nach wie vor möglich ist, erfolgt auf Antrag einer Partei oder auch durch das Gericht von Amts wegen.
Beispiel:
Im Urteilstenor sind, wie sich aus den Entscheidungsgründen des Urteils ergibt, der Kläger und der Beklagte verwechselt worden. Die Entscheidungsgründe enthalten eine Addition, die offenkundig falsch ist. Das Gericht kann diese Fehler korrigieren.
II. Rügeverfahren (§ 321a ZPO)
Rz. 134
Daneben hat jedoch das Zivilprozessreformgesetz mit dem § 321a ZPO auch die Möglichkeit geschaffen, trotz ergangenen erstinstanzlichen Urteils eine Rückversetzung des Verfahrens in den Stand vor Schluss der mündlichen Verhandlung zu beschließen.
1. Materielle Voraussetzungen
Rz. 135
In materieller Hinsicht ist Voraussetzung hierfür zum einen, dass das ergangene Urteil durch die Berufung nicht angreifbar ist und zum anderen das erstinstanzliche Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat (§ 321a Abs. 1 ZPO). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht die bereits geschilderten Pflichten, Hinweise zu geben und den Sachverhalt umfassend in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu erörtern, verletzt hat.
2. Formelle Voraussetzungen
Rz. 136
Um eine Rückversetzung des Verfahrens zu erreichen, muss die durch das Urteil beschwerte Partei binnen einer Notfrist von zwei Wochen eine sog. Rügeschrift bei dem Gericht einreichen, dessen Urteil angefochten werden soll (§ 321a Abs. 2, 3 ZPO). Die Frist beginnt frühestens mit der Zustellung des vollständigen Urteils, sofern das Urteil keine Entscheidungsgründe enthält, spätestens mit der des Protokolls. Die Rügeschrift muss den Prozess bezeichnen, dessen Fortsetzung begehrt wird, darüber hinaus auch die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör sowie die Entscheidungserheblichkeit darlegen.
3. Gerichtliche Tätigkeit
Rz. 137
Das Gericht prüft zum einen, ob der Antrag statthaft ist, d.h. die Voraussetzungen des § 321a Abs. 1 ZPO vorliegen. Weiterhin prüft es, ob der Antrag zulässig gestellt worden ist, d.h. frist- und formgerecht. Fehlt es an der Statthaftigkeit oder Zulässigkeit, verwirft es die Rüge als unzulässig. Ist hingegen die Rüge als zulässig erhoben worden, hat das Gericht zu prüfen, ob sie begründet ist. Hierzu darf es gem. § 139 Abs. 4 S. 2 ZPO nur den Akteninhalt verwerten. Es nutzt dem Gericht daher nichts, wenn es weiß, einen Hinweis erteilt zu haben, es diesen jedoch nicht aktenkundig gemacht hat. Ergibt die Prüfung, dass die Rüge unbegründet ist, weist das Gericht sie als unbegründet zurück. Andernfalls gibt es ihr statt, indem es den Prozess fortsetzt. Dies hat indes nicht die Folge, dass das ergangene Urteil völlig wirkungslos wird. Vielmehr kann aus ihm weiterhin vollstreckt werden, wenn das Gericht die Zwangsvollstreckung nicht gem. §§ 321a Abs. 6, 707 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 ZPO einstellt.
Ergebnis des fortgesetzten Prozesses ist ein neues abschließendes Urteil, durch das – ähnlich dem Verfahren nach einem Versäumnisurteil oder nach dem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid – die erste Entscheidung aufrechterhalten, aufgehoben oder modifiziert wird (§§ 321a Abs. 5, 343 ZPO).
4. Büromäßige Behandlung
Rz. 138
Da das Rügeverfahren nur bei Beachtung einer Notfrist von zwei Wochen durchgeführt werden kann, muss diese Notfrist immer im Fristenkalender notiert werden. Dies geschieht sinnvollerweise immer bei Zustellung des Urteils. Sollte das Protokoll zu diesem Zeitpunkt noch nicht zugestellt sein, kann eine Abänderung der Frist im Fristenkalender erfolgen, sobald das Protokoll zugestellt wird.