I. Der Rechtsmittelverzicht nach § 313a Abs. 2 ZPO – Kosten sparen

 

Rz. 9

Gem. § 313a Abs. 2 ZPO kann das Gericht in der mündlichen Verhandlung nach entsprechenden Hinweisen ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe erlassen, wenn beide Parteien auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten. Wird nur eine Partei durch das Urteil in der Weise beschwert, dass diese ein Rechtsmittel einlegen könnte, so genügt es, dass der Rechtsmittelverzicht von dieser Partei erklärt wird.

 

Rz. 10

Für die mit den Kosten ganz oder teilweise belastete Partei hat diese Vorgehensweise den Vorteil, dass nach Nr. 1211 Nr. 2 KVGKG nur eine einfache gerichtliche Verfahrensgebühr statt der sonst dreifachen Verfahrensgebühr anfällt.

 

Rz. 11

 

Tipp

Die Kostenprivilegierung greift nach Nr. 1211 Nr. 4 KVGKG auch dann, wenn die Parteien die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklären und nachfolgend auf Rechtsmittel gegen den Beschluss nach § 91a ZPO verzichten, der dann ohne Darstellung von Gründen ergeht,[1] oder die Parteien sich über die Kostentragungspflicht geeinigt haben und diese Einigung durch das Gericht im Beschluss nach § 91a ZPO lediglich nachvollzogen wird. Allerdings wird in diesem Fall kein Vollstreckungstitel in der Hauptsache geschaffen.

 

Rz. 12

Ausgeschlossen ist ein Urteil ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe nach § 313a Abs. 4 ZPO im Falle der Verurteilung zu einer künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistung, wie etwa einer Unterhaltszahlung sowie in Fällen, in denen die Geltendmachung im Ausland zu erwarten ist. In Familiensachen ist § 38 FamFG zu beachten, der in Teilen dem § 313a ZPO nachgebildet ist (§ 38 Abs. 4 FamFG), jedoch für Ehesachen – mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung –, in Abstammungssachen sowie in Betreuungssachen eine Begründungspflicht postuliert (§ 38 Abs. 5 FamFG).

 

Rz. 13

Zur Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Vollstreckung kann auch dann nicht auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet werden, wenn eine Vollstreckung im Ausland zu erwarten ist. Eine solche Erwartung wird etwa immer dann begründet sein, wenn eine Partei ihren Wohnsitz, Sitz oder Teile ihres Vermögens im Ausland hat, wenn der Streitgegenstand sich im Ausland befindet oder der Antrag auf Zahlung einer ausländischen Geldsumme lautet.

 

Rz. 14

 

Tipp

Ist zunächst nicht abzusehen, dass eine Vollstreckung des Urteils im Ausland erforderlich wird, ist dies aber auch nicht ausgeschlossen, so muss der Mandant auf die Kostenvorteile des abgekürzten Urteils nicht rein vorsorglich verzichten.

Nach § 30 AVAG[2] kann das Urteil auch noch nachträglich um Tatbestand und Entscheidungsgründe erweitert werden und dann als Grundlage für eine Zwangsvollstreckung im Ausland dienen.[3] § 313a Abs. 5 ZPO erklärt die Vorschrift für entsprechend anwendbar.

 

Rz. 15

Voraussetzung für eine Vorgehensweise nach § 313a Abs. 2 ZPO ist, dass das Urteil in dem Termin ergeht, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, d.h. es muss ein sog. Stuhlurteil verkündet werden.

 

Rz. 16

 

Tipp

Ist ein Urteil notwendig,

weil etwa nach der Bildung einer Haftungsquote in einer Verkehrsunfallsache der Klage teilweise stattgegeben wird und diese teilweise zurückgewiesen wird, so dass eine Klagerücknahme oder ein Anerkenntnis nicht in Betracht kommt,
die Parteien eine Vergleichsgebühr bei ihren Bevollmächtigten nicht anfallen lassen wollen,
jedoch ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht beabsichtigt ist,

sollte das Gericht hiervon bereits vorab informiert werden, damit dieses für die mündliche Verhandlung ein Stuhlurteil vorbereitet und dem Mandanten so zwei Verfahrensgebühren erspart werden können.[4] Auf jeden Fall muss der Bevollmächtigte mit seinem Mandanten eine Verfahrensweise nach § 313a Abs. 2 ZPO erörtern, um Kostennachteile für diesen zu vermeiden und damit Haftungsrisiken für sich selbst auszuschließen.

 

Rz. 17

Der Rechtsmittelverzicht kann nach § 313a Abs. 3 ZPO vor der Verkündung des Urteils in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen schriftlich, aber nicht vorab abstrakt ohne Bezug auf eine bestimmte Entscheidung[5] erklärt werden. Die Erklärung kann aber auch unmittelbar nach der Verkündung des Urteils in der mündlichen Verhandlung erfolgen.

 

Rz. 18

Der in der mündlichen Verhandlung erklärte Rechtsmittelverzicht ist nach § 160 Abs. 3 Nr. 9 ZPO zu protokollieren. Anschließend muss der Rechtsmittelverzicht nach § 162 Abs. 1 ZPO erneut vorgespielt und von den Beteiligten genehmigt werden. Dies ist jedoch nicht Wirksamkeitsvoraussetzung.[6]

 

Rz. 19

Die Erklärung kann nach § 313a Abs. 3 ZPO auch noch binnen einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung schriftlich gegenüber dem Gericht abgegeben werden, § 313a Abs. 3 2. Hs. ZPO.[7]

 

Rz. 20

 

Tipp

Dies gibt dem Bevollmächtigten die Möglichkeit, nach der Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung das Gericht zu bitten, durch Stuhlurteil zu entscheiden, und nachfolgend dem Mandanten vorzuschlagen, auf Rechtsmittel zu verzichten, wenn die Haltung des Gerichts zunächst weder bekannt noch vorhersehbar war.

 

Rz. 21

Sow...

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