I. Grundstücksvermächtnis
1. Begründung der Übertragungsverpflichtung
Rz. 85
Bei einem Grundstücksvermächtnis aufgrund privatschriftlichen Testaments (§§ 2247, 2267 BGB, § 10 LPartG) wird eine Übertragungsverpflichtung für eine Immobilie begründet, ohne dass das Kausalgeschäft notariell beurkundet worden wäre. Gegenstand eines Grundstücksvermächtnisses kann auch eine Eigentumswohnung oder ein (gewerblich genutztes) Teileigentum sein. Dabei handelt es sich sachenrechtlich um einen Miteigentumsanteil an einem Gebäudegrundstück, der mit bestimmten Räumen verbunden ist. Besondere Bedeutung hat das Grundstücksvermächtnis, wenn es in der Form des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) zugunsten eines Miterben angeordnet ist. Als Nachlassverbindlichkeit kann seine Erfüllung vor der Erbteilung verlangt werden, §§ 1967, 2046 BGB.
2. Erfüllung der Übertragungsverpflichtung
a) Notariell beurkundete Auflassung
Rz. 86
Im Falle des Grundstücksvermächtnisses ist neben der Einigung nach § 925 BGB (Auflassung) die Eintragung in das Grundbuch (§ 873 BGB) erforderlich aufgrund Bewilligung des/der Erben und Antrags des Vermächtnisnehmers, §§ 19, 13 GBO. Die Eintragung des Vermächtnisnehmers als Eigentümer soll nach der seit 28.12.2022 geltenden Neuregelung des § 13 Abs. 1 S. 3 GBO nur erfolgen, wenn ein Notar den Antrag im Namen eines Antragsberechtigten eingereicht hat. Der Rechtsanwalt, der den Vermächtnisnehmer vertritt, bedarf einer schriftlichen Vollmacht nach § 30 GBO zur Stellung des Eintragungsantrags; allerdings dürfte der Eintragungsantrag fast immer in der Auflassungsurkunde bzw. im gerichtlichen Vergleich enthalten sein.
Der Grundstücks-Vermächtnisnehmer, der vom beschwerten (Mit-)Erben die Erfüllung des Vermächtnisses verlangt, muss diesen nicht zwingend auf Auflassung in Anspruch nehmen. Vielmehr kann sich (je nach Einzelfall) auch eine Verpflichtung zur Genehmigung eines durch einen vollmachtlosen Vertreter abgeschlossenen Vertrags ergeben und eine Verweigerung der Genehmigung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen.
Der Streitwert für den Anspruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben auf Zustimmung zur Auflassung eines vermachten Hausgrundstücks richtet sich nach dessen Verkehrswert. Der Verkehrswert eines Grundstücks kann nach dem ggf. fortgeschriebenen Bodenrichtwert bemessen werden. Zur neuen Wertermittlungsverordnung, die am 1.1.2022 in Kraft getreten ist, vgl. § 20 Rdn 99.
b) Grundbuchrechtliche Erfordernisse
Rz. 87
Der Voreintragung des Erben bedarf es nicht, § 40 Abs. 1 GBO. Allerdings muss der Erblasser schon im Grundbuch voreingetragen sein, § 39 GBO. Zu erbringen ist lediglich der Erbnachweis nach § 35 GBO, also entweder Vorlage einer Ausfertigung des vom Nachlassgericht erteilten Erbscheins oder beglaubigter Abschriften der die Erbfolge regelnden notariell beurkundeten Verfügung von Todes wegen einschließlich des nachlassgerichtlichen Eröffnungsprotokolls – der reine Eröffnungsvermerk auf der Verfügung von Todes wegen hat nicht die Qualität eines Eröffnungsprotokolls. Außerdem ist auch die beglaubigte Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses ein Erbnachweis, Art. 69, 70 EuErbVO. Wird beispielsweise ein Erbschein vorgelegt, so kann nicht zusätzlich die Vorlage einer Abschrift des Testaments und der Urkunde über seine Eröffnung verlangt werden. § 925a BGB begründet eine Vorlegungspflicht nur für Veräußerungsverträge und gilt nur für den die Auflassung beurkundenden Notar.
c) Vertretung minderjähriger Erben
Rz. 88
Soweit einer der Erben minderjährig ist, kann er bei der Auflassung gleichwohl durch den miterbenden gesetzlichen Vertreter vertreten werden. Beide stehen auf der gleichen Seite des Übertragungsvorganges, der gesetzliche Vertreter tritt mit seinem minderjährigen Kind nicht in rechtsgeschäftliche Beziehungen; und auch zwischen mehreren erbenden minderjährigen Kindern selbst findet im Fall der Vermächtniserfüllung eine Auseinandersetzung nicht statt.
Auch eine in einem notariellen Testament enthaltene postmortale Vollmacht an den Vermächtnisnehmer zur Vornahme der Auflassung ist möglich und zulässig. Allerdings kann ein Elternteil, der minderjährige Kinder vertritt, nicht gleichzeitig das Testamentsvollstreckeramt ausüben und die Kinder vertreten, auch nicht als Mit-Testamentsvollstrecker. In einem solchen Falle ist für jedes Kind ein Ergänzungspfleger gem. § 1909 BGB zu bestellen.
d) Kosten der Grundstücksübertragung
Rz. 89
Der mit dem Grundstücksvermächtnis Beschwerte hat die ...