aa) Die Dreimonatseinrede
Rz. 155
Auch nach Annahme der Erbschaft steht dem Erben die Einrede zu, die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit innerhalb der ersten drei Monate nach Erbschaftsannahme zu verweigern (§ 2014 BGB). Das Gesetz gewährt dem Erben eine Schonfrist, damit er sich einen Überblick über den Nachlass verschaffen kann. Die Frist beginnt mit der Annahme der Erbschaft, also spätestens nach Ablauf der Ausschlagungsfrist.
Ergänzt wird § 2014 BGB durch § 305 Abs. 1 ZPO: Im Prozess führt die Geltendmachung der Einrede zur Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung in das Urteil.
Für die Zwangsvollstreckung gilt § 782 ZPO: Aufgrund des Vorbehalts ist eine etwaige Zwangsvollstreckung auf reine Sicherungsmaßnahmen (Pfändung ohne Verwertung, wie beim Arrest nach §§ 930–932 ZPO) zu beschränken. Durchgesetzt wird der Vorbehalt mit der Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO.
bb) Die Aufgebotseinrede
Rz. 156
Das Gesetz gewährt dem Erben nach der Erbschaftsannahme eine weitere Schonungseinrede (§ 2015 BGB): Während des laufenden Aufgebotsverfahrens der Nachlassgläubiger kann der Erbe ebenfalls die Erfüllung einer Nachlassverbindlichkeit einredeweise verweigern. Auch hier soll dem Erben Gelegenheit gegeben werden, sich Klarheit über die Nachlassverbindlichkeiten und den Nachlassumfang zu verschaffen.
Folge der Erhebung der Einrede im Prozess ist ein Vorbehaltsurteil gem. § 305 ZPO und Klage nach § 782 ZPO in der Vollstreckung.
cc) Die Handhabung der Schonungseinreden in Prozess und Zwangsvollstreckung beim Grundstücksvermächtnis
Rz. 157
Ein Vorbehalt gem. § 305 ZPO berechtigt den Kläger lediglich zu Sicherungsmaßnahmen nach Arrestrecht (§ 782 ZPO), also bspw. bei einem Grundstücksvermächtnis lediglich zur Eintragung einer Vormerkung, aber nicht zur Eigentumsübertragung, entsprechend § 895 ZPO.
Nach Abschluss des Gläubigeraufgebots kann der Erbe beurteilen, ob ein Nachlassinsolvenzverfahren in Betracht kommt oder die Dürftigkeitseinrede erhoben werden kann. Sollte der Nachlass für die Erfüllung aller Forderungen nicht ausreichen, so würde der Vermächtnisnehmer mit seiner Forderung ganz oder teilweise ausfallen (§ 327 Abs. 1 InsO, §§ 1990, 1991 Abs. 4 BGB, § 327 Abs. 1 InsO).
Mit Abschluss des Gläubigeraufgebots und Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens trifft ihn auch kein Verschulden mehr, für das er etwa ausfallenden Gläubigern gem. § 1980 BGB haften würde.
Rz. 158
Die prozessuale Wirkung des Vorbehalts gem. § 305 ZPO:
§ 782 ZPO, der auf das Arrestrecht verweist, hat eine zu sichernde Geldforderung im Auge, weil die Regeln des Arrestes nur auf Geldforderungen anzuwenden sind. Sollte der eingeklagte Anspruch aber auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück gerichtet sein, so könnte in entsprechender Anwendung von § 895 ZPO lediglich eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen werden, denn nur die Vormerkung sichert den Eigentumsübertragungsanspruch. Da aber das Vorbehaltsurteil in einem solchen Fall die Verurteilung zur Auflassung enthält, damit die abzugebende Willenserklärung gem. § 894 ZPO mit Rechtskraft ersetzt wird, muss die Unzulässigkeit der Eigentumsumschreibung bis zum Abschluss des Aufgebotsverfahrens bereits in den Tenor des Vorbehaltsurteils, also des Ersturteils, aufgenommen und vom Beklagten im Erstprozess beantragt werden. Denn anders könnte das Grundbuchamt den Vorbehalt nicht umsetzen. Würde aber die Auflassung vollzogen und das Eigentum auf den Kläger umgeschrieben werden, so wäre Erfüllung eingetreten, die aber zunächst wegen des Vorbehalts gerade nicht verlangt werden kann.
In aller Regel wird Klagabweisung beantragt werden und hilfsweise für den Fall der Verurteilung die Aufnahme eines Vorbehalts nach § 305 ZPO:
Formulierungsbeispiel
Bis zum Abschluss des beim Amtsgericht (…) unter dem Az. (…) laufenden Aufgebots der Nachlassgläubiger kann der Anspruch auf Übertragung des Eigentums an dem bezeichneten Grundstück nur durch Eintragung einer Eigentumsübertragungsvormerkung im Grundbuch gesichert werden. Eine Eigentumsumschreibung auf den Kläger darf so lange nicht erfolgen.
Rz. 159
Entsprechendes gilt bei Verurteilung zur Bestellung eines anderen dinglichen Rechts an einem Grundstück, z.B. eines dinglichen Vorkaufsrechts, eines Nießbrauchs oder eines Wohnungsrechts.
Ist Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gestellt, so kann die im Urteil zu nennende Frist verlängert werden, § 782 S. 2 ZPO.
dd) Prozessuale Durchsetzung des Nachrangs einer Vermächtnisforderung gegenüber einer Pflichtteilsforderung
Rz. 160
In der Praxis sind für den Erben die Fälle problematisch, in denen der Vermächtnisnehmer auf Erfüllung seines sofort fälligen Vermächtnisanspruchs (§ 271 BGB) drängt, während der Pflichtteilsberechtigte sich mit seiner Forderung nicht gemeldet hat. Der Erbe ist sich nicht sicher, ob der Nachlass für die Erfüllung beider Forderungen ausreichen wird und ob der Vermächtnisnehmer als nachrangiger Gläubiger in einem etwaigen Nachlassinsolvenzverfahren mit seiner Forderung ausfallen würde (§ 327 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO). Beide Ansprüche verjähren in drei Jahren (ausgenommen das Grundstücksvermächtnis, das in zehn Jahren verjährt, § 196 BGB).
Sollte der Vermächtnisnehmer den Erben auf Erfüllung verklagen, bevor die Pflichtteilsforderung f...