1. Anfall und Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs
Rz. 293
Der Vermächtnisanspruch entsteht grundsätzlich mit dem Erbfall (§ 2176 BGB), allerdings auflösend bedingt durch die Ausschlagung des Vermächtnisses (§ 2180 BGB). Anfall des Vermächtnisses ist nicht gleich Fälligkeit des Vermächtnisanspruchs. Beides kann zusammenfallen (§ 271 BGB), dies ist in der Praxis der Regelfall. Aber häufig hat der Erblasser eine Stundung oder eine Zahlung in Raten vorgesehen. Vgl. im Übrigen §§ 2176–2178 BGB.
2. Erfüllung des Vermächtnisanspruchs
Rz. 294
Das Vermächtnis begründet eine Nachlassverbindlichkeit, § 1967 Abs. 2 BGB. Der Vermächtnisanspruch wird durch die jeweiligen sachenrechtlichen Übertragungsakte erfüllt, bei Grundstücken insbesondere durch Auflassung und Eintragung im Grundbuch, §§ 873, 925 BGB, bei beweglichen Sachen durch Einigung und Übergabe, § 929 BGB, bei Forderungen durch Abtretung, § 398 BGB, bei Schuldenerlass durch Einigung nach § 397 BGB, bei Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB. D.h. der Vermächtnisbeschwerte schuldet die Mitwirkung beim Abschluss entsprechender Erfüllungsverträge. Diese Willenserklärungen sind erforderlichenfalls durch rechtskräftiges Urteil gem. § 894 ZPO zu ersetzen.
Bei der Klageerhebung auf Erfüllung eines Vorausvermächtnisses bestimmt sich der Streitwert unter Anwendung von § 3 ZPO nach dem den eigenen Anteil des Klägers übersteigenden Gegenstandswert.
3. Auskunftsrechte des Vermächtnisnehmers
Rz. 295
In Fällen des wertbezogenen Vermächtnisses (bspw. ist ein Vermächtnis in Höhe des Geldwertes eines Bruchteils des Nachlasses zugewandt) hat der Vermächtnisnehmer gegen den Erben Anspruch auf Auskunft über die Höhe des Nachlasses. Die Geltendmachung des Auskunftsanspruchs kann mit dem Vermächtniserfüllungsanspruch in Form der Stufenklage gem. § 254 ZPO verbunden werden.
4. Gegenrechte des Vermächtnisbelasteten
Rz. 296
Dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben oder Vermächtnisnehmer können Gegenansprüche gegen den Vermächtnisnehmer zustehen. Dies kann eine Gegenleistung bei einem als Übernahmerecht ausgestalteten Vermächtnis sein, Ansprüche wegen Verwendungen auf den Vermächtnisgegenstand, § 2185 BGB, Ansprüche aus dem Vermächtniskürzungsrecht nach § 2318 BGB oder im Rahmen der Erbenhaftung eine reduzierte Leistungspflicht bei Geltendmachung der Überschwerungseinrede nach § 1992 BGB.
a) Gerichtliche Geltendmachung des Vermächtnisanspruchs vor Annahme der Erbschaft
Rz. 297
Gemäß § 1958 BGB kann eine Nachlassverbindlichkeit vor Annahme der Erbschaft nicht eingeklagt werden; dabei handelt es sich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die von Amts wegen zu beachten ist. Eine Klage, die dies missachtet, wäre als unzulässig abzuweisen.
Klagepflegschaft:
Auf Antrag eines Nachlassgläubigers hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Erbschaft entweder noch nicht angenommen oder der Erbe unbekannt oder ungewiss ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, § 1961 BGB. Dies korrespondiert mit der Vorschrift des § 1958 BGB, wonach vor der Annahme der Erbschaft eine Klage gegen den Erben als unzulässig abzuweisen wäre. Die Klagepflegschaft dient dazu, diesen Zeitraum für einen Gläubiger, der seinen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will, zu überbrücken. Sollte ein Erbscheinsantrag eines Vollstreckungsgläubigers nach § 792 ZPO keinen Erfolg haben, so könnte er ebenfalls die Anordnung einer Klagepflegschaft beantragen. Besonders hinzuweisen ist darauf, dass auch Vermächtnisnehmer Nachlassgläubiger sind und deshalb eine Klagepflegschaft beantragen können, um ihre Ansprüche geltend zu machen.
Die Regelungen zur Nachlasspflegschaft haben zum 1.1.2023 einige Änderungen erfahren. Es gibt jetzt eine "sonstige Pflegschaft", § 1915 BGB wurde aufgehoben. Zur Lückenausfüllung wird nicht mehr auf das Vormundschaftsrecht, sondern meist auf das Betreuungsrecht verwiesen. An die Stelle des Betreuungsgerichts tritt infolge der entsprechenden Anwendung das Nachlassgericht (§ 1962 BGB). Die Nachlasspflegschaft ist wie bisher eine "Nachlasssache" (§ 342 Abs. 1 Nr. 5 FamFG). Die örtliche Zuständigkeit regelt § 344 Abs. 4 FamFG, die Beteiligten § 7 bzw. § 345 Abs. 4 Nr. 1 FamFG.
b) Rechtsstreit gegen den Erben nach Annahme der Erbschaft
Rz. 298
Will sich der Erbe die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass offen halten, so muss er in das gegen ihn ergehende Urteil einen Vorbehalt gemäß § 780 ZPO aufnehmen lassen. Der entsprechende Antrag auf Aufnahme des Vorbehalts ist spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz zu stellen. Wird während des Rechtsstreits Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz angeordnet, so wird der Prozess unterbrochen (§§ 240, 241 Abs. 3 ZPO, 1984 Abs. 1 S. 3 BGB). Der Nachlassverwalter bzw. Insolvenzverwalter kann den Prozess aufnehmen.
Rz. 299
Kosten des Rechtsstreits: Es entspricht allgemeiner Meinung, dass Kosten eines Rechtsstreits, den der Erbe im Hinblick auf...