1. Allgemeines
Rz. 243
Nicht selten ist es das Anliegen des Erblassers, einem Verwandten oder einer befreundeten Person das Recht einzuräumen, einen bestimmten Gegenstand, insbesondere ein Grundstück, für den Fall des Verkaufs durch den zunächst Bedachten erwerben zu können. Diese Rechtsfolge kann der Erblasser dadurch erreichen, dass er dem Begünstigten vermächtnisweise ein Vorkaufsrecht an dem betreffenden Gegenstand einräumt.
2. Arten des Vorkaufsrechts
Rz. 244
Mit dem Vorkaufsrecht wird dem Vorkaufsberechtigten die Befugnis eingeräumt, den vorkaufsbelasteten Gegenstand zu denselben Bedingungen zu kaufen, zu denen ihn der Verpflichtete (= Vermächtnisbeschwerte) rechtswirksam an einen Dritten verkauft hat. Zwischen dem Vorkaufsberechtigten (= Vermächtnisnehmer) und dem Verpflichteten (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) kommt mit der Erklärung über die Ausübung des Vorkaufsrechts ein neuer Kaufvertrag zustande.
Rz. 245
Ein Vorkaufsrecht kann entweder schuldrechtlicher Natur (§§ 463–473 BGB) oder dinglicher Natur sein (§§ 1094–1104 BGB). Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht kann sich beziehen auf unbewegliche oder bewegliche Sachen und Rechte, das dingliche Vorkaufsrecht kann nur an Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten eingeräumt werden.
3. Entstehung des dinglichen Vorkaufsrechts
Rz. 246
Das dingliche Vorkaufsrecht ist ein beschränktes dingliches Recht, das zu seiner Entstehung der Einigung und Eintragung im Grundbuch bedarf, § 873 BGB. Formalrechtlich ist zur Eintragung die Bewilligung des Eigentümers (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) gem. § 19 GBO in beglaubigter Form (§ 29 GBO) und ein Antrag entweder des Vorkaufsberechtigten oder des Eigentümers nach § 13 Abs. 1 GBO erforderlich. Das Vorkaufsrecht kann im Grundbuch erst eingetragen werden, wenn der Eigentümer (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) voreingetragen ist, § 39 GBO. Die Eintragung eines Grundstücksvermächtnisnehmers als Eigentümer soll nach der seit 28.12.2022 geltenden Neuregelung des § 13 Abs. 1 S. 3 GBO nur erfolgen, wenn ein Notar den Antrag im Namen eines Antragsberechtigten eingereicht hat.
4. Sicherung des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts
Rz. 247
Bezieht sich das schuldrechtliche Vorkaufsrecht auf ein Grundstück, so kann der bedingte Eigentumsübertragungsanspruch gem. § 883 BGB durch Vormerkung gesichert werden. Hierzu bedarf es gem. § 19 GBO der Eintragungsbewilligung des Eigentümers (in notariell beglaubigter Form gem. § 29 GBO) und des Eintragungsantrags entweder des Eigentümers oder des Vorkaufsberechtigten gem. § 13 Abs. 1 GBO. Die Vormerkung kann im Grundbuch erst eingetragen werden, wenn der Eigentümer (= Erbe oder Hauptvermächtnisnehmer) im Grundbuch voreingetragen ist, § 39 GBO.
5. Belastungsobjekt
Rz. 248
Die Bestellung eines dinglichen Vorkaufsrechts ist möglich an einem Grundstück, an Miteigentumsanteilen an einem Grundstück, § 1095 BGB, an Wohnungs- und Teileigentum sowie an einem Erbbaurecht. Mehrere Grundstücke können nicht mit einem einheitlichen Vorkaufsrecht belastet werden, vielmehr sind Einzelrechte an jedem einzelnen Grundstück zu bestellen.
6. Vorkaufsberechtigter
Rz. 249
Das Vorkaufsrecht kann zugunsten einer natürlichen oder juristischen Person bestellt werden. Wird das dingliche Vorkaufsrecht mehreren Personen eingeräumt, so bestimmt § 472 BGB deren Gemeinschaftsverhältnis (§ 1098 Abs. 1 BGB). Nach diesen Vorschriften kann das Vorkaufsrecht nur insgesamt ausgeübt werden. Wird das Vorkaufsrecht durch mehrere Berechtigte nach § 472 BGB ausgeübt, so geht ihr Eigentumsübertragungsanspruch auf Übereignung in Bruchteilseigentum, sofern in der Verfügung von Todes wegen nichts anderes bestimmt wurde. Das Vorkaufsrecht kann auch für mehrere Berechtigte in Form der Gesamtgläubigerschaft nach § 428 BGB bestellt werden. Wird das Eigentum in einem solchen Fall auf einen der Gesamtgläubiger übertragen, so wirkt dies schuldbefreiend.
Rz. 250
Ist das dingliche Vorkaufsrecht einer juristischen Person eingeräumt, so kann das Recht auf den Rechtsnachfolger übergehen, sofern der Übergang nicht ausgeschlossen ist, §§ 1098, 1059a BGB.
7. Inhalt des Vorkaufsrechts
Rz. 251
Der Erblasser kann das Vorkaufsrecht auflösend oder aufschiebend bedingen oder befristen, §§ 158, 163 BGB. Denkbar wäre beispielsweise, dass das Vorkaufsrecht nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeräumt wird, beispielsweise für den ersten Verkaufsfall innerhalb von fünf Jahren nach dem Todeszeitpunkt des Erblassers oder auch für alle Verkaufsfälle innerhalb von 10 Jahren nach dem Tod des Erblassers.
8. Ausübung des Vorkaufsrechts
a) Ausübung nur bei Abschluss eines Kaufvertrages
Rz. 252
Begrifflich kann das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn der Eigentümer über den vorkaufsbelasteten Gegenstand einen Kaufvertrag schließt. Die Ausübung ist also ausgeschlossen, wenn ein Ausstattungs-, Schenkungs- (auch gemischte Schenkung) oder ein Erbauseinandersetzungsvertrag geschlossen wird. Ausnahmswei...