Rz. 60
Im Gegensatz zu den videogestützten Systemen gibt es bei dieser Art der Geschwindigkeitsmessung keinerlei Foto- oder Videodokumentation.
Bei diesem Verfahren wird am ungeeichten Tachometer des Polizeifahrzeugs die Geschwindigkeit abgelesenen und damit auf die Fahrgeschwindigkeit des vorausfahrenden oder hinterherfahrenden Fahrzeugs geschlossen.
Dies ist unter Berücksichtigung entsprechender Fehlertoleranzen nur dann möglich, wenn der Abstand zwischen dem Polizeifahrzeug und dem überwachten Fahrzeug während der überwachten Zeit bzw. Wegstrecke annähernd konstant ist.
Das vorliegende Verfahren setzt aus technischer Sicht eine längere Überwachungszeit bzw. eine längere Überwachungsstrecke voraus. Nur dadurch lassen sich die bei diesem Verfahren auftretenden erheblichen Fehlertoleranzen – insbesondere was das von den Polizeibeamten zu schätzende Abstandsverhalten zwischen den beiden Fahrzeugen betrifft – ausreichend eingrenzen. Bei Geschwindigkeiten von größenordnungsmäßig 100 km/h sollte die überwachte Strecke beispielsweise nicht unter 500 m liegen (Faustformel: Nachfahrstrecke = mind. 10 x halber Tachowert).
Treten während der überwachten Zeit bzw. Strecke erhebliche Geschwindigkeitsänderungen ein (beispielsweise durch Bremsen oder Beschleunigen des überwachten Fahrzeugs), so sollte die Messung nicht verwertet werden.
Ganz allgemein kommen bei diesen Geschwindigkeitsmessverfahren folgende Fehlermöglichkeiten in Betracht:
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Ungenauigkeit des nicht geeichten, serienmäßigen Tachometers des Polizeifahrzeugs: Nicht geeichte, serienmäßige Tachometer können in jedem Geschwindigkeitsbereich Voreilungen von bis zu 7 % ihres Skalenendwertes aufweisen. Bei relativ hohen Geschwindigkeiten sind Voreilungen dieser Größenordnungen durchaus wahrscheinlich. |
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Ungenauigkeit durch ungenügenden Reifenluftdruck des Polizeifahrzeugs: > Zu hohe Geschwindigkeitsanzeige um bis zu 0,5 %. |
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Ungenauigkeit durch nicht mehr neuwertiges Reifenprofil des Polizeifahrzeugs: > Zu hohe Geschwindigkeitsanzeige um bis zu 3 %. |
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Ungenauigkeit durch die Toleranz des Abrollumfanges der Reifen am Polizeifahrzeug: > Zu hohe Geschwindigkeitsanzeige um bis zu 2 %. |
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Ungenauigkeit durch Reifengrößenwechsel am Polizeifahrzeug: > Zu hohe Geschwindigkeitsanzeige um bis zu 2 %. |
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Ungenauigkeit durch Ablesefehler der Geschwindigkeitsanzeige am Tachometer: > In einer Größenordnung von 2 km/h bis 5 km/h. |
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Ungenauigkeit durch Veränderung des Abstandes zwischen dem Polizeifahrzeug und dem überwachten Fahrzeug während der Messfahrt. |
Rz. 61
Verringert sich beim Nachfahren durch die Polizei der Abstand zwischen den beiden Fahrzeugen, so ist von einer geringeren Geschwindigkeit des überwachten Fahrzeugs gegenüber der des Polizeifahrzeugs auszugehen; vergrößert sich der Abstand, so gilt das Umgekehrte.
Verringert sich der Abstand während einer Nachfahrstrecke des Polizeifahrzeugs von 500 m um 50 m, so hatte das überwachte Fahrzeug eine um 10 % geringere Geschwindigkeit als das Polizeifahrzeug inne.
Welche Toleranzen beim vorliegenden Geschwindigkeitsmessverfahren zu unterstellen sind, hängt wesentlich vom Einzelfall ab.
In den entsprechenden Richtlinien (im Anhang dieses Buches) finden sich häufig Vorgaben der Bundesländer, welche Toleranzen bei dieser Art der Messung heranzuziehen sind.
Um eine solche Messung bewerten zu können, ist das Hauptaugenmerk auf die Stellungnahmen und Protokollierungen der Beamten zu richten. So sollten dort genaue Angaben zu den Umgebungsbedingungen gemacht werden, wie z.B.:
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Wie lang war die ungefähre Nachfahrstrecke? |
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Wie groß war der Abstand zwischen den Fahrzeugen? |
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Wie wurde man auf den Betroffenen aufmerksam? |
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Musste zunächst aufgeholt werden? |
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Lichtverhältnisse (Straßenbeleuchtung/Dunkelheit/Tageslicht)? |
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Wo wurde genau gemessen (Örtlichkeit)? |
Wegen der fehlenden Fotos/Videos müssen diese Angaben derart exakt sein, dass keine Zweifel an der Korrektheit des Nachfahrvorgangs aufkommen können.