Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 193
In der Praxis kommt es leider auch häufig vor, dass angeforderte Empfangsbekenntnisse gar nicht zurückgesendet werden. Gerade im Umgang mit dem beA konnte hier eine Häufung solcher Fälle in der Praxis festgestellt werden.
Rz. 194
Auch bei der Zustellung elektronischer Dokumente, bei denen der Nachweis der Zustellung durch elektronisches Empfangsbekenntnis erfolgt, kommt es jedoch nicht darauf an, wann das zuzustellende Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist (= eingegangen ist), sondern darauf, wann der Zustellungsadressat das Dokument tatsächlich und empfangsbereit entgegengenommen hat. Auf die Kenntnisnahme des Inhalts kommt es aber nicht an, vgl. dazu Rdn 208 unten. Die Eingangsbestätigung wird damit nicht automatisch Ersatz für ein nicht abgegebenes (oder ggf. zurückgewiesenes) Empfangsbekenntnis.
Rz. 195
Gibt der Anwalt kein EB ab, kommt es für die Frage des Zustellungsdatums auf den weiteren Ablauf an. Aus der fehlenden Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses lässt sich jedoch noch nicht auf fehlende Empfangsbereitschaft des Prozessbevollmächtigten schließen, wenn sein Wille zum Empfang aus anderen Umständen des Falls ausreichend zuverlässig festgestellt werden kann, z.B. indem der Anwalt seinem Mandanten das Urteil übersendet oder ihm einen Rat zu Einlegung der Berufung erteilt bzw. einen derartig erteilten Auftrag annimmt. Der BGH bestätigte, dass zwar bei Zustellung gegen Empfangsbekenntnis zu ihrer Wirksamkeit vorauszusetzen ist, dass der Rechtsanwalt das ihm zugestellte Schriftstück mit dem Willen entgegennimmt, es als zugestellt gegen sich gelten zu lassen und dies durch Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses beurkundet. Es sei, so der BGH, aber auch höchstrichterlich geklärt, dass allein der Umstand, dass der Rechtsanwalt – wie hier – eine
Zitat
"Rücksendung des ihm zu Zwecken der Beurkundung des Zustellungsempfangs übermittelten Empfangsbekenntnisses unterlässt, eine Heilung des Zustellungsmangels gem. § 189 ZPO nicht hindert, wenn neben dem tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks die weiter erforderliche Empfangsbereitschaft des Zustellungsempfängers anderweit festgestellt werden kann (BGH, NJW 1989, 1154 = WM 1989, 238 unter II 2; BVerwG, NJW 2007, 3223)."
Rz. 196
Für einen Zustellungsversuch ins beA gegen eEB hat das VG Leipzig entschieden, dass dann, wenn ein Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt wird, derjenige Tag als Zustellungstag anzusehen ist, an dem das Schriftstück nach dem normalen Verlauf der Dinge erstmals in die Hände des Empfängers gelangt sein könnte; dies sei, so das VG Leipzig, der dritte Tag nach Absendung. Die Entscheidung wurde zu Recht vielfach kritisiert, da das VG Leipzig die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes analog angewendet hatte, das jedoch nur für außergerichtliche behördliche und nicht justizbehördliche Verfahren gilt.
Rz. 197
Dies sieht das OVG Saarlouis anders und widerspricht dem VG Leipzig:
Zitat
"1. Der Zeitpunkt der tatsächlichen und empfangsbereiten Entgegennahme ist auch dann maßgeblich, wenn (wie hier) ein formgerechtes elektronisches Empfangsbekenntnis nicht oder nicht zeitnah nach Eingang des Dokuments im beA übersandt wird."
2. Die bisweilen vertretene analoge Anwendung der verwaltungsverfahrens- bzw. -zustellungsrechtlichen "Drei-Tages-Fiktion" in Anknüpfung an das Datum des bestätigten Dokumenteneingangs im beA verbietet sich.“
Rz. 198
Das Zustellungsdatum ist der Zeitpunkt der tatsächlichen und empfangsbereiten Entgegennahme selbst dann, wenn ein formgerechtes elektronisches Empfangsbekenntnis nicht oder nicht zeitnah nach Eingang des Dokuments im beA übermittelt wird. Es kann dabei nicht für die Ermittlung des Zustellungsdatums auf die automatisierte Eingangsbestätigung abgestellt werden.
Zitat
"1. Eine Zustellung ist auch ohne Rücksendung des vollständig ausgefüllten Empfangsbekenntnisses wirksam, wenn der Empfänger das zuzustellende Schriftstück in Kenntnis der Zustellungsabsicht tatsächlich entgegengenommen hat."
2. § 31a Abs. 6 BRAO verpflichtet dazu, Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das besondere elektronische Anwaltspostfach zur Kenntnis zu nehmen.
3. Wird das Empfangsbekenntnis nicht zurückgesandt, ist derjenige Tag als Zustellungstag anzusehen, an dem das Schriftstück nach dem normalen Verlauf der Dinge erstmals in die Hand des Empfängers gelangt sein könnte.
4. Dieser Tag ist der dritte Tag nach Absendung des Dokuments.“
Rz. 199
Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten einen "Zustellungsnachweis durch automatisierte Eingangsbestätigung" erwogen, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aber aufgrund der erforderlichen Dokumentation des anwaltlichen Annahmewillens verworfen.
Rz. 200
Von besonderem Interesse ist die Entscheidung des OVG Saarlouis deshalb, weil das Urteil bereits am 9.7.2020 im beA des Prozessbevollmächtigten eingegangen war, gleichwohl der von ihm (nicht formg...