Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 127
Es kommt vor, dass eine Partei versucht, ein auf dem eEB oder EB des gegnerischen Anwalts angegebenes Datum, weil er es für falsch hält, zu entkräften, aber auch, dass das Gericht Zweifel an der Richtigkeit des abgegebenen Empfangsbekenntnisses hat.
Rz. 128
Gerichte sind von Gesetzes wegen gehalten zu prüfen, ob ein Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt worden ist, vgl. dazu nur beispielhaft § 522 Abs. 1 ZPO. Im Rahmen des Freibeweises würdigt das Gericht dann, ob dies der Fall ist.
Rz. 129
Prozessgegner haben ihrerseits im Rahmen des Mandatsvertrags das Recht und ggf. auch die Pflicht zu prüfen, ob das gegnerische Rechtsmittel rechtzeitig eingereicht wurde. Im Rahmen ihres Akteneinsichtsrechts können sie so auch Kenntnis darüber erhalten, wann z.B. ein Urteil mit Zustellungsabsicht (d.h. eEB-Anforderung) im beA des Rechtsmittelführers eingegangen ist, wann das eEB abgegeben wurde und welches Zustellungsdatum hier eingetragen ist. "Verworfen ist schneller als zurückgewiesen" könnte also die Devise sowohl von Gerichten als auch Prozessgegnern lauten.
Rz. 130
Das BVerfG hat zur Möglichkeit der Entkräftung des auf einem Empfangsbekenntnis angegebenen Datums schon 2001 entschieden; wobei diese Entscheidung auch auf das elektronische Empfangsbekenntnis in ihren wesentlichen Aussagepunkten angewendet werden kann:
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Der Nachweis eines falschen Datums in dem von einem Rechtsanwalt ausgefüllten Empfangsbekenntnis ist grundsätzlich zulässig. |
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An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. |
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Der Gegenbeweis ist vollständig erst dann erbracht, wenn die Beweiswirkungen des Empfangsbekenntnisses entkräftet sind und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Angabe auf dem Empfangsbekenntnis richtig sein könnte. |
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Zweifel an der Richtigkeit des Zustellungsdatums genügen nicht. |
Rz. 131
Allerdings, so der BGH in einer weiteren Entscheidung, dürfen an die beweisführende Partei auch keine überspannten Anforderungen gestellt werden.
Rz. 132
Eine bloße Erschütterung der Angaben auf dem anwaltlichen Empfangsbekenntnis ist auch nach jüngerer Rechtsprechung des BGH nicht ausreichend.
Rz. 133
Dabei genügt nach Ansicht des BGH für die Widerlegung der Richtigkeit des in einem anwaltlichen Empfangsbekenntnis angegebenen Zustellungsdatums das Verstreichen eines ungewöhnlich langen Zeitraums zwischen der gerichtlichen Verfügung und diesem Datum nicht. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber zu wissen, dass der Anwalt (hier: Zustellungsadressat) im vorliegenden, vom BGH entschiedenen Fall – zu Recht – moniert hat, das zuzustellende Schriftstück erst sehr spät erhalten zu haben, weil es offenbar – wie nachweislich schon häufiger in der Vergangenheit – wohl zunächst ins das falsche Anwaltspostfach bei Gericht eingelegt worden ist. Für eine Zustellung in das beA eines Anwalts ist daher diese Entscheidung nicht anzuwenden, denn hier weiß der Zustellende aufgrund der ihm automatisiert erteilten Eingangsbestätigung konkret, wann das Dokument bei wem in den Machtbereich gelangt ist.
Rz. 134
Auch dem Gegner steht grundsätzlich der Beweis der Unrichtigkeit eines verspätet abgegebenen Empfangsbekenntnisses zu; der angegebene Zeitpunkt der Zustellung muss aber auch hier vollständig entkräftet werden.
Rz. 135
Anschaulich hat auch das OVG Münster in einer Entscheidung zum Thema festgehalten, welche Möglichkeiten dem Gericht bleiben, wenn an der Richtigkeit des elektronischen Empfangsbekenntnisses Zweifel bestehen.
Zitat
"1. Ein elektronisch zurückgesandtes Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der §§ 371a, 416 ZPO als (privates) elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme des in ihm bezeichneten Schriftstücks als auch für den Zeitpunkt von dessen Empfang. (Rn 4)"
2. Ein Rechtsanwalt ist verpflichtet, das Empfangsbekenntnis mit dem Datum zu versehen, an dem er das zuzustellende Schriftstück mit dem Willen entgegengenommen hat, es zu behalten. Die Beweiswirkung des ausgewiesenen Zustellungsdatums kann unter bestimmten Voraussetzungen entkräftet werden. An den – grundsätzlich zulässigen – Nachweis eines falschen Datums sind strenge Anforderungen zu stellen. (Rn 4)
3. …
4. …“
Rz. 136
So fragen Gerichte regelmäßig auch im Rahmen einer amtlichen Stellungnahme bei der Geschäftsstelle der Vorinstanz ab, wann die Übermittlung im beA des Rechtsmittelführers eingegangen ist. Bezieht sich eine Partei mit der Einlegung des Rechtsmittels auf das Zustellungsdatum (wie regelmäßig), kann das Gericht auch anordnen, dass eine Partei oder ein Dritter die in ihrem/seinen Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sie sich bezogen hat, vorlegt, § 142 Abs. 1 S. 1 ZPO; wobei dasselbe für Augenscheinsobjekte gilt, § 144 Abs. 1 S. 2 ZPO.
Rz. 137
Eine etwaige Nichtvorlage der angeforderten Urkunden ist gem. den §§ 286, 427 S. 2 ZPO frei zu würdigen. Nach Ansicht des BGH ist § 142 Abs. 1 ZPO auch anwendbar, wenn sich de...