Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 86
Hinweis
Da es gerade im Bereich der Zustellungen gegen Empfangsbekenntnis häufig zu Fragen kommt, sollen nachstehende Beispiele helfen, das richtige Zustellungsdatum zu ermitteln. Auch wenn zu den jeweiligen Beispielen Rechtsprechung zitiert wird, so werden unsere Leser gebeten, die Ausführungen eigenverantwortlich zu prüfen. Die gezogenen Fazits der nachstehenden Beispiele stellen die Meinung der Autoren dar. Die Autoren haben naturgemäß keinen Einfluss darauf, ob und inwieweit Gerichte ihre hier dargestellten Meinungen zu Zustelldaten teilen, aber auch, ob und inwieweit in der Vergangenheit ergangene Rechtsprechung von Gerichten übernommen oder anders auslegt wird.
I. Grundsatz: Kenntnisnahme nicht Eingang
Rz. 87
Schon zu Zeiten des Papier-EB war es herrschende Rechtsprechung, dass das Zustellungsdatum das Kenntnisnahmedatum und nicht das Eingangsdatum oder das Datum der Einlegung ins Anwaltspostfach bei Gericht ist.
Rz. 88
Bei der Zustellung elektronischer Dokumente, bei denen der Nachweis der Zustellung durch elektronisches Empfangsbekenntnis erfolgt, kommt es daher nicht darauf an, wann das zuzustellende Dokument in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist (= eingegangen ist), sondern darauf, wann der Zustellungsadressat das Dokument tatsächlich und empfangsbereit entgegengenommen hat.
Rz. 89
Beispiel
Ein Urteil wird nebst eEB-Anforderung durch das Gericht in das beA eines Rechtsanwalts übermittelt; die Eingangsbestätigung des Gerichts weist den 14.2.2022 aus. Der Rechtsanwalt befindet sich an diesem Tag auf Geschäftsreise und kommt erst am Mittwoch, den 16.2.2022, wieder in die Kanzlei. Er nimmt das Urteil am 16.2.2022 zur Kenntnis und trägt den 16.2.2022 als Datum in das eEB ein und sendet das eEB formgerecht an das Gericht zurück, §§ 173 Abs. 3 ZPO, 14 S. 1 BORA.
Zustellungsdatum: 16.2.2022
Rz. 90
Der BGH verlangt im Übrigen, dass dann, wenn das Datum der Kenntnisnahme vom Eingangsdatum abweicht, Anwälte sicherzustellen haben, dass dieses abweichende Datum als Zustellungsdatum und Fristbeginn geführt wird:
Zitat
"Weicht die Kenntnisnahme des Empfangs durch den Rechtsanwalt vom Datum des Posteingangs ab und trägt der Rechtsanwalt dieses Datum unter seiner Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis ein, so hat er selbst sicherzustellen, daß dieses abweichende Datum in der Kanzlei als Zustellungsdatum und Fristbeginn geführt wird" (Leitsatz der Redaktion).
II. Grundsatz: Kenntnisnahme nicht Rücksendedatum
Rz. 91
Zu unterscheiden ist nach diesseitiger Auffassung zum einen das Datum, das auf dem Empfangsbekenntnis angegeben wird (= Zustellungsdatum) und das Datum, zu dem dann das Empfangsbekenntnis zurückgesendet wird. Das Datum der empfangsbereiten Kenntnisnahme ist das Zustellungsdatum, nicht aber das Datum, an dem das eEB in Rücklauf gegeben wird. Diese Daten können zwar zusammenfallen, müssen es aber nicht.
Rz. 92
Beispiel
An einem Montag erfolgt ein Zustellungsversuch in das beA einer Rechtsanwältin. Diese befindet sich gerade auf Geschäftsreise. Sie nimmt das Dokument am Mittwoch derselben Woche zur Kenntnis und somit innerhalb der "Wochenfrist" gem. § 14 S. 1 BRAO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO. Das von ihr ausgefüllte und mit qualifizierter elektronischer Signatur versehene Empfangsbekenntnis wird von der Mitarbeiterin am Folgetag, Donnerstag in derselben Woche, an das Gericht zurückgeleitet. Das Zustellungsdatum ändert sich hierdurch nicht. Maßgeblich als Zustellungsdatum ist das Datum, das auf dem Empfangsbekenntnis eingetragen ist, hier das Datum von Mittwoch.
Rz. 93
Da § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO jedoch davon spricht, dass Empfangsbekenntnisse unverzüglich mit Datum versehen zu erteilen sind, ist davon auszugehen, dass dieses Zeitfenster von einer Woche gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 BRAO das Rücksendedatum meint. Wird am selben Tag der Kenntnisnahme auch das Empfangsbekenntnis zurückgeleitet (wovon sicherlich in den meisten Fällen ausgegangen werden kann aber nicht muss), wäre diese Maxima-Frist von einer Woche gewahrt.
Rz. 94