Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 66
Gem. § 14 S. 1 BORA sind Rechtsanwälte verpflichtet, ordnungsgemäße Zustellungen von Gerichten, Behörden und Rechtsanwälten entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit Datum versehen unverzüglich zu erteilen.
Rz. 67
Zum Nachweis der Zustellung eines Schriftstücks von Anwalt zu Anwalt genügt das mit Datum und Unterschrift versehene Empfangsbekenntnis desjenigen Anwalts, dem zugestellt worden ist, wobei § 175 Abs. 4 ZPO (Form der Rücksendung) entsprechend gilt, § 195 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO. Da § 130d ZPO im Verhältnis zwischen zwei Anwälten nicht gilt, hat der Adressat grundsätzlich die Wahl, ob er das Empfangsbekenntnis per Briefpost, Fax oder als elektronisches Dokument zurücksendet.
Rz. 68
Erfolgt die Zustellung eines elektronischen Dokuments i.S.d. § 173 Abs. 1 ZPO, ist die Zustellung durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis in Form eines strukturierten Datensatzes nachzuweisen, § 195 Abs. 2 S. 3 ZPO. Eine Wahl bei der Rücksendungsform besteht somit bei elektronischer Zustellung nicht.
Rz. 69
Auf Verlangen des zustellenden Anwalts hat der Zustellungsadressat eine Zustellungsbescheinigung zu erteilen, § 195 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Rz. 70
Der Gesetzgeber wollte die Rechtslage der Zustellung von Anwalt zu Anwalt grundsätzlich unverändert lassen, weshalb bei einer derartigen Zustellung auch weiterhin die Zustellung als Schriftstück, z.B. durch Fax, möglich bleibt. Ausdrücklich weist der Gesetzgeber aber auch darauf hin, dass die Zustellung eines elektronischen Dokuments von Anwalt zu Anwalt "insbesondere per beA, aber auch auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg"“ möglich ist. Als anderer sicherer Übermittlungsweg käme hier beispielsweise De-Mail in Betracht oder aber auch die Nutzung eines eBO, falls die Kanzlei ein solches, z.B. als "Rettungsanker-Postfach", eingerichtet hat, wozu es aber keine Verpflichtung gibt!
Rz. 71
Da das beA für die Anforderung von elektronischen Empfangsbekenntnissen einen entsprechenden strukturierten Datensatz zur Verfügung stellt und dieser zwingend zu nutzen ist, wenn die Zustellung von Anwalt zu Anwalt via beA erfolgt, sollte von der Übermittlung eines eingescannten "Zustellungsformulars", wie dies im Papierzeitalter Jahrzehnte genutzt wurde, dringend Abstand genommen werden. § 195 Abs. 2 ZPO regelt hier eine eigene Verpflichtung zur Verwendung des Strukturdatensatzes bei Nutzung des beA für eine Zustellung von Anwalt zu Anwalt, siehe Rdn 63 oben.
Rz. 72
§ 31a Abs. 6 BRAO enthält die Verpflichtung von Anwälten, Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen im beA zur Kenntnis zu nehmen. § 14 BORA bestimmt Art und Umfang der unverzüglichen Mitwirkungspflicht von Anwälten bei ordnungsgemäßen und auch nicht ordnungsgemäßen Zustellungen im beA. Das Ignorieren von eEB-Anforderungen im beA ist daher eine Verletzung der berufsrechtlichen Pflichten in mehrfacher Hinsicht (§ 14 BORA, § 31a Abs. 6 BRAO).
Rz. 73
Vorsicht:
Wenn ein Anwalt nicht an einer ordnungsgemäßen Zustellung von Anwalt zu Anwalt mitwirkt, hat er zunächst ein berufsrechtliches Problem; der Zustellungsversuch ist zunächst als gescheitert anzusehen, wenn ein Empfangsbekenntnis nicht abgegeben wird, denn in § 195 ZPO fehlt es an einer Zustellungsfiktion bei verweigerter Annahme bzw. ausbleibender unverzüglicher Reaktion. Auf eine Zustellungsheilung nach § 189 ZPO oder eine "erkämpfbare" Zustellungsfiktion entsprechend der Rechtsprechung des BVerfG, siehe Rdn 189 in diesem Kapitel, bei Nachweis des "bewusstem-sich-Verschließens" sollte man sich nicht verlassen. Eine Beschwerde bei der zuständigen RAK über das Fehlverhalten führt ebenfalls nicht zu einer Zustellungsfiktion. Besser ist es, in solchen Fällen die Zustellung (zusätzlich) auf anderem Weg (z.B. über den Gerichtsvollzieher) zu versuchen. Gerade bei Einhaltung einer Vollziehungsfrist oder anderen Fristen ist es pragmatischer, nicht auf seinem "Recht" zu bestehen, sondern für eine wirksame Zustellung auf anderem Wege zu sorgen, siehe hierzu auch die §§ 193, 193a ZPO, siehe dazu auch Rdn 239 ff. in diesem Kapitel.