Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 241
Mit dem Gesetz zum Ausbau des ERVV hat der Gesetzgeber § 193 ZPO, der die Zustellung von Schriftstücken durch den Gerichtsvollzieher regelt, an die Fortentwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs angepasst. Neu aufgenommen wurde hier die Möglichkeit, dass der Gerichtsvollzieher das als Schriftstück zuzustellende Dokument entweder in Papierform oder aber als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg erhält, § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 ZPO. Im Folgenden wird dann der vorzunehmende "Medienbruch" beschrieben, wenn der Gerichtsvollzieher das elektronisch erhaltene Dokument in ein Schriftstück umwandelt. § 193 Abs. 2 und 4 ZPO regelt dann die Beurkundung der Ausführung der Zustellung für beide Fälle.
Rz. 242
Zitat
§ 193 ZPO Zustellung von Schriftstücken
"(1) Soll ein Dokument als Schriftstück zugestellt werden, so übermittelt die Partei dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Dokument"
1. in Papierform zusammen mit den erforderlichen Abschriften oder
2. als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg.
Im Falle des Satzes 1 Nummer 1 beglaubigt der Gerichtsvollzieher die Abschriften; er kann fehlende Abschriften selbst herstellen. Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 fertigt der Gerichtsvollzieher die erforderlichen Abschriften als Ausdrucke selbst und beglaubigt diese.
(2) Der Gerichtsvollzieher beurkundet im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf dem mit der Urschrift zu verbindenden hierfür vorgesehenen Formular die Ausführung der Zustellung nach § 182 Abs. 2 und vermerkt die Person, in deren Auftrag er zugestellt hat. Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt Satz 1 mit der Maßgabe, dass der Gerichtsvollzieher die Beurkundung auf einem Ausdruck des zuzustellenden elektronischen Dokuments oder auf dem mit dem Ausdruck zu verbindenden hierfür vorgesehenen Formular vornimmt. Bei Zustellung durch Aufgabe zur Post ist das Datum und die Anschrift, unter der die Aufgabe erfolgte, zu vermerken.
(3) Der Gerichtsvollzieher vermerkt auf dem zu übergebenden Schriftstück den Tag der Zustellung, sofern er nicht eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurkunde übergibt.
(4) Die Zustellungsurkunde ist der Partei zu übermitteln, für die zugestellt wurde.“
Rz. 243
Wichtig: § 193 ZPO regelt die Zustellung im Parteibetrieb durch den Gerichtsvollzieher mit dem Ziel, dass ein Schriftstück zugestellt werden soll. Erhält der Gerichtsvollzieher das zuzustellende Dokument bereits in Papierform, soll der Auftraggeber dieses bereits mit den erforderlichen Abschriften (unbeglaubigt) übermitteln. Die Beglaubigungen werden dann vom Gerichtsvollzieher auf den zur Verfügung gestellten Abschriften vorgenommen. Für den Fall, dass das als Schriftstück zuzustellende Dokument in Papierform ohne die erforderlichen Abschriften übermittelt wird, erlaubt § 193 Abs. 1 S. 2 ZPO die Herstellung der fehlenden Abschriften durch den Gerichtsvollzieher. Da dies jedoch als "Kann-Vorschrift" ausgestaltet ist, besteht hierzu, zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes, keine Pflicht, sodass der Gerichtsvollzieher die entsprechenden Abschriften auch beim Auftraggeber anfordern kann.
Rz. 244
Wird dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Schriftstück als elektronisches Dokument auf einem sicheren Übermittlungsweg übersandt, fertigt der Gerichtsvollzieher die erforderlichen Abschriften als Ausdrucke selbst und beglaubigt diese, § 193 Abs. 1 S. 3 ZPO. Diese Vorschrift scheint nach Ansicht der Verfasser jedoch missverständlich formuliert. Als sicherer Übermittlungsweg wird zwar gem. § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO ein beA angesehen, aus dem Zusammenspiel von § 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 23 Abs. 3 S. 5 RAVPV ist jedoch davon auszugehen, dass der sichere Übermittlungsweg in diesem Sinne auch immer die Erzeugung eines VHN (vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis) erfordert. Dies wiederum würde erforderlich machen, dass der Postfachinhaber den Auftrag zur Zustellung selbst erteilt, wobei der Zustellungsauftrag mit einer einfachen elektronischen Signatur des namensgleichen Postfachinhabers versehen sein müsste. Besser wäre es nach Ansicht der Verfasser gewesen, hier in § 193 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO nicht auf den sicheren Übermittlungsweg abzustellen, sondern auf die Übermittlung eines elektronischen Dokuments i.S.d. § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO.
Rz. 245
Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis diese Vorschrift einordnen wird. Ausgeschlossen dürfte aber in jedem Fall sein, dass z.B. ein Anwalt dem Gerichtsvollzieher ein zuzustellendes Schriftstück als elektronisches Dokument via Outlook o.ä. anderen Mail-Systemen übermittelt.
Rz. 246
Erfolgt die Übersendung eines zuzustellenden Schriftstücks in Papierform, so kann es sich dabei um eine beglaubigte Abschrift (§ 317 Abs. 1 ZPO), eine Ausfertigung (§ 317 Abs. 2 ZPO) oder vollstreckbare Ausfertigung (§§ 317 Abs. 2, 724 ff. ZPO) handeln.
Rz. 247
Dokumente, die regelmäßig dem Gerichtsvollzieher zur Zustellung übermittelt werden, sind:
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Urteile oder Beschlüsse... |