Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
Rz. 252
§ 193a ZPO wurde völlig neu zum 1.1.2022 durch das ERVV-Ausbaugesetz eingeführt. Im Hinblick auf die Wichtigkeit dieser neuen Zustellungsmöglichkeit auch in ein beA soll zunächst der Gesetzestext abgedruckt werden:
Zitat
§ 193a Zustellung von elektronischen Dokumenten
"(1) Soll ein Dokument als elektronisches Dokument zugestellt werden, so übermittelt die Partei dem Gerichtsvollzieher das zuzustellende Dokument"
1. elektronisch auf einem sicheren Übermittlungsweg oder
2. als Schriftstück.
Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 überträgt der Gerichtsvollzieher das Schriftstück in ein elektronisches Dokument.
(2) Als Nachweis der Zustellung dient die automatisierte Eingangsbestätigung. Der Zeitpunkt der Zustellung ist der in der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesene Zeitpunkt des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach. Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 ist die automatisierte Eingangsbestätigung mit dem zuzustellenden elektronischen Dokument zu verbinden und der Partei zu übermitteln, für die zugestellt wurde. Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 fertigt der Gerichtsvollzieher einen Ausdruck der automatisierten Eingangsbestätigung, verbindet den Ausdruck mit dem zuzustellenden Schriftstück und übermittelt dieses der Partei, für die zugestellt wurde.“
Rz. 253
Der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund hatte mit seiner Stellungnahme zum ERVV-Ausbaugesetz eindringlich darauf hingewiesen, dass die Zustellung eines vorläufigen Zahlungsverbots oder Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses dringend geregelt werden muss, da ansonsten nicht klar wäre, ab wann das Pfändungspfandrecht begründet ist, die Monatsfrist des § 845 ZPO, oder aber die Frist für die Drittschuldnererklärung zu laufen beginnen. Im Hinblick darauf, dass diese Änderungen in der ZPO erst in den Sommermonaten 2021 in dieses Gesetzgebungsverfahren eingeflossen sind und bis zur Verabschiedung nur wenig Zeit verging, bleibt abzuwarten, ob die in § 193a ZPO nach Ansicht der Verfasser enthaltenen Fragezeichen künftig noch einer Anpassung im Gesetzeswortlaut bedürfen. Unseren Lesern können wir daher nur empfehlen, die Entwicklung zu dieser Vorschrift weiter im Auge zu behalten.
Rz. 254
Ziel der Zustellung gem. § 193a ZPO ist die Zustellung elektronischer Dokumente. Dabei beschreibt § 193a Abs. 1 ZPO die Vorgehensweise, wenn der Gerichtsvollzieher die zuzustellenden Dokumente entweder bereits als elektronische Dokumente erhalten hat oder aber in Papierform erhalten hat. Bedauerlicherweise fehlt es an Ausführungen in § 193a Abs. 1 ZPO darüber, auf welche Weise der Gerichtsvollzieher in Papierform erhaltene Schriftstücke, die als elektronisches Dokument zugestellt werden sollen, in ein elektronisches Dokument überträgt. Nach Schultzky wurde auf eine Übernahme der Anforderungen des § 298a Abs. 2 ZPO für den Transfer in elektronischer Form verzichtet, wobei abweichend vom Fall der Zustellung als Schriftstück auch keine elektronische Beglaubigung vorgesehen ist. Schultzky führt hierzu aus:
Zitat
"Die Authentizität des übermittelten Dokuments wird dem Empfänger allein dadurch garantiert, dass der Transfer in elektronischer Form und die Verwendung des sicheren Übermittlungswegs in einer Hand, der des GV, liegen. Dies schließt es aus, dass die Übertragung und der Versand von unterschiedlichen Personen, insb. verschiedenen GV, vorgenommen werden."
Rz. 255
Höchst interessant ist § 193a Abs. 2 S. 2 ZPO, denn Zeitpunkt der Zustellung ist der in der automatisierten Eingangsbestätigung ausgewiesene Zeitpunkt des Eingangs in dem vom Empfänger eröffneten elektronischen Postfach. Bewusst nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass dies eine Abweichung von § 173 Abs. 3 ZPO darstellt, der die Zustellung elektronischer Dokumente an Rechtsanwälte gegen Empfangsbekenntnis vorsieht.
Rz. 256
Es gilt somit bei elektronischer Zustellung durch den Gerichtsvollzieher an Anwälte als Zustellungsdatum weder ein solches, welches auf einem Empfangsbekenntnis angegeben ist (§ 173 Abs. 3 ZPO), noch gilt die Drei-Tages-Fiktion des § 173 Abs. 4 S. 4 und 5 ZPO. Der Gesetzgeber begründet diese Abweichung zum einen damit, dass eine effektive Zwangsvollstreckung sichergestellt werden soll. So gilt grundsätzlich das Pfändungspfandrecht mit der Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner als bewirkt (gleiches auch für Vorpfändungen, sofern innerhalb der Monatsfrist die Pfändung bewirkt wird). Dies führt zu einem notwendigen Schutz des Gläubigers davor, dass der Schuldner Vermögenswerte beiseiteschafft, bevor der Gläubiger ein Pfändungspfandrecht begründen kann. Dabei ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft viele Drittschuldner, wie große Unternehmen als Arbeitgeber, Banken und auch Versicherungen, für die Lohnpfändungs- und Vollstreckungsabteilungen ein entsprechendes eBO anschaffen werden.
Rz. 257
Zugunsten des Schuldners weist der Gesetzgeber darauf hin, dass bei einem Verzicht des Gläubigers auf die Rechte aus der Pfändu...