Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
1. Versehentlich vom Erklärenden falsch angegebenes Datum
Rz. 119
Nach der Rechtsprechung des BGH erbringt ein Empfangsbekenntnis Beweis über den Zeitpunkt der tatsächlichen Entgegennahme/Kenntnisnahme des Dokuments durch einen Anwalt.
Rz. 120
Ein auf dem Empfangsbekenntnis versehentlich falsch eingetragenes Datum kann zwar entkräftet werden; jedoch nur, wenn kein Zweifel mehr daran besteht, dass das angegebene Datum unrichtig ist. Sofern der Rechtsmittelführer unter entsprechender eidesstattlicher Versicherung seines Anwalts vortragen lässt, dass dieser das erstinstanzliche Urteil erst einen Tag später als nach dem im Empfangsbekenntnis durch handschriftlich eingefügtes Datum bezeichneten Tag zugestellt erhalten hat, und hält das Berufungsgericht diese eidesstattliche Versicherung nicht für ausreichend, muss es – ohne dass es eines ausdrücklichen Beweisantritts des Rechtsmittelführers bedarf – i.d.R. den Anwalt als Zeugen zu diesem Vortrag vernehmen.
Rz. 121
Aus der aktuellen Rechtsprechung, bezogen auf ein eEB, welches via beA gegenüber dem Gericht abgegeben wurde, und die im Wesentlichen auch der ständigen Rechtsprechung des BGH zu Papier-EBs entspricht:
Zitat
"Das elektronisch zurückgesandte Empfangsbekenntnis erbringt nach Maßgabe der § 371a Abs. 1 und § 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes Empfangsbekenntnis Beweis sowohl für die Entgegennahme der in ihm bezeichneten Schriftstücke als auch für den Zeitpunkt von deren Empfang. Der Gegenbeweis, dass der in einem elektronisch zurückgesandten Empfangsbekenntnis ausgewiesene Zustellungsinhalt unrichtig ist, ist möglich, setzt aber voraus, dass die Beweiswirkung des Empfangsbekenntnisses zur Überzeugung des Gerichts vollständig entkräftet wird (hier unter Berücksichtigung des Prüfvermerks, der Eingangsbestätigung und der xjustiz-Nachrichten verneint)."
Rz. 122
Die im vom OVG Bautzen entschiedenen Fall maßgeblichen Daten:
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Auf Antrag des Klägers Zulassung der Berufung mit Beschl. v. 17.8.2021 betreffend das Urteil des Verwaltungsgerichts. |
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Eingang des Zulassungsbeschlusses im beA des Prozessbevollmächtigten mit eEB-Anforderung am 27.8.2021 (Beschl. v. 17.8.2021 + Kurzmitteilung Gericht vom 25.8.2021), bestätigt durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit eEB, datiert auf den 27.8. |
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Anhörung der Beteiligten mit Schreiben vom 1.10.2021 zur beabsichtigten Verwerfung der Berufung mangels Eingangs einer Berufungsbegründung. |
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Behauptung des Prozessbevollmächtigten daraufhin, ihm sei am 27.8.2021 lediglich ein Beschluss über die vorläufige Festsetzung des Streitwerts zugestellt worden; aus dem von ihm zurückgesandten eEB sei für ihn nicht ersichtlich gewesen, welchen Beschluss er als zugestellt entgegennehme; er ging davon aus, dass dies der Streitwertbeschluss vom 26.8.2021 sei, nicht aber die Zulassung zur Berufung (die die Berufungsbegründungsfrist in Lauf gesetzt hätte). |
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Am 26.10.2021 bat der Prozessbevollmächtigte um Überlassung des Zulassungsbeschlusses vom 17.8.2021 und beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist sowie die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. |
Rz. 123
Die Entscheidung des OVG Bautzen:
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Berufung wird als unzulässig verworfen; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt. |
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Zulassungsbeschluss vom 17.8.2021 wurde dem Klägervertreter gem. §§ 56 Abs. 2 VwGO, 174 Abs. 3, Abs. 4 S. 2–4 ZPO (Anm.: seit 1.1.2022 § 173 Abs. 3 ZPO), § 130a Abs. 3, Abs. 4 Nr. 2 ZPO über dessen beA elektronisch zugestellt; der Prozessbevollmächtigte übermittelte ein eEB. |
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Das eEB erbringt nach Maßgabe der §§ 371a Abs. 1, 416 ZPO als privates elektronisches Dokument ebenso wie ein auf dem Postweg zurückgesandtes EB Beweis sowohl für die Entgegennahme der in ihm bezeichneten Schriftstücke (hier: Beschl. v. 17.8.2021 und Übersendungsschreiben vom 25.8.2021) als auch für den Zeitpunkt von deren Empfang. |
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Mit diesem eEB ist der Nachweis der Zustellung unter dem Datum 27.8.2021 geführt. |
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Ein ausgefülltes Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich den vollen Beweis dafür, dass der Prozessbevollmächtigte an dem von ihm selbst angegebenen Tag tatsächlich Kenntnis vom Zugang der in dem Empfangsbekenntnis benannten Schriftstücke erlangt hat. |
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Zwar kann dieses Datum entkräftet werden, da der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben zulässig ist. |
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Ausreichend ist jedoch nicht die Möglichkeit eines anderen Geschehnisablaufs; vielmehr ist erforderlich, dass die Richtigkeit der Angaben im Empfangsbekenntnis nicht nur erschüttert werden, sondern die Möglichkeit, die Angaben könnten richtig sein, ausgeschlossen ist. |
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Die Beweiswirkung eines Empfangsbekenntnisses muss zur Überzeugung des Gerichts vollständig entkräftet werden und damit jede Möglichkeit der Richtigkeit des Empfangsbekenntnisses ausgeschlossen sein. |
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Diese Anforderungen an die Entkräftung gelten auch bei einer elektronischen Zustellung. |
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Die vorläufige Streitwertfestsetzung mit Datum vom 26.8.2021 wurde im ... |