Rz. 2

Nach § 3 Abs. 3 S. 1 StVG darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt, der Gegenstand eines Strafverfahrens ist, in dem die Entziehung der FE durch das Strafgericht in Betracht kommt, solange nicht in einem Verwaltungsverfahren, das seinerseits den Entzug der FE zum Gegenstand hat, berücksichtigen, wie das Strafverfahren anhängig ist.

Das bedeutet, dass der Verkehrsbehörde mit der Einleitung eines entsprechenden Strafverfahrens ein verwaltungsrechtlicher Fahrerlaubnisentzug verboten ist. Die Behörde muss den rechtskräftigen Ausgang des Strafverfahrens abwarten; das Verwaltungsverfahren darf eingeleitet, aber nicht weiterbetrieben oder gar mit einem Entzugsbescheid abgeschlossen werden. Auch die Zuständigkeit zur Ermittlung des Sachverhalts liegt bei den Strafverfolgungsorganen und nicht bei der Fahrerlaubnisbehörde; insbesondere die Beibringung von Gutachten darf von der Fahrerlaubnisbehörde nicht gefordert werden.[2] Dabei genügt die abstrakte Möglichkeit, dass die FE im Strafverfahren entzogen werden kann. Das beurteilt sich danach, ob das Strafverfahren eine Straftat zum Gegenstand hat, an deren Begehung der Entzug der FE als Maßregel nach § 69 StGB anknüpfen darf. Die Entscheidung des Strafgerichts muss abgewartet werden. Mitteilungen der Staatsanwaltschaft, es werde ein Entzug der FE nicht beantragt werden, sind insoweit unmaßgeblich. § 3 Abs. 3 StVG ist ein vorübergehendes Verfahrenshindernis, das sich mit dem Abschluss des Strafverfahrens erledigt hat. Nach Abschluss des Strafverfahrens regelt § 3 Abs. 4 StVG, dass eine in Widerspruch zu den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen stehende Entscheidung der Führerscheinbehörde unzulässig ist.[3]

 

Rz. 3

Wenn die Behörde die FE wegen eines Sachverhalts entzieht, der nicht Gegenstand eines entsprechenden Strafverfahrens ist, besteht kein Verbot für eine Entscheidung der Verkehrsbehörde.[4]

 

Rz. 4

Die Regelung in § 3 Abs. 3 S. 1 StVG stellt eine Verfahrensregelung auf, die die Verkehrsbehörde zu beachten hat. Wird diese Regel verletzt, wenn die Behörde während eines laufenden Strafverfahrens, in dem der Entzug der FE als Maßregel in Betracht kommt, wegen des gleichen Sachverhalts die FE entzieht, so leidet das Verfahren an einem formalen Fehler. Hier stellt sich die Frage, ob dieser formale Fehler nach §/Art. 46 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes unbeachtlich sein kann. Das ist aber zu verneinen. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 3 Abs. 3 StVG ist die Fahrerlaubnisbehörde gerade gehindert, die gleiche Entscheidung in der Sache zu erlassen. Diese Sperrwirkung greift zum einen in zeitlicher Hinsicht ein, da ihre Entscheidungskompetenz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens suspendiert ist. Zum anderen ist die Behörde sachlich gehindert, da sie gerade gemäß § 3 Abs. 4 StVG an die Feststellungen des Sachverhalts, der Beurteilung der Schuldfrage und der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs gebunden ist. Käme das Strafgericht beispielsweise in einem Fall zu dem Ergebnis, der FE-Inhaber habe kein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt, dürfte die Fahrerlaubnisbehörde hiervon nicht zuungunsten des Betroffenen abweichen. Insofern ist bei einer Entziehung durch die Fahrerlaubnisbehörde vor Abschluss des Strafverfahrens noch nicht absehbar, inwieweit eine Bindung an Feststellungen des Sachverhalts, die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs besteht.[5]

 

Rz. 5

Die überwiegende Ansicht vertritt die Auffassung, dass in dem Fall, in dem während des Strafverfahrens unter Verstoß gegen § 3 Abs. 3 StVG ein Entzugsbescheid ergangen ist, der Verstoß aber nach §/Art. 46 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes unbeachtlich sein soll, wenn es im Strafverfahren nicht zu einem Entzug der FE kommt.[6] Das gilt auch, wenn das Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde.[7] Auch eine unter Verstoß gegen § 3 Abs. 3 StVG angeforderte medizinisch-psychologische Untersuchung darf verwertet werden.[8] Diese Ansicht ist aber verfehlt. Das Argument, dass die Behörde nach dem Abschluss des Strafverfahrens jederzeit unverzüglich einen Entzugsbescheid erlassen müsste, verkennt die Bedeutung des § 3 Abs. 3 StVG. Das gilt auch dann, wenn nach Bescheiderlass das Strafverfahren ohne Entzug der FE endet oder eingestellt wurde.[9] Denn maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Entzugsbescheids ist der Abschluss des behördlichen Verfahrens. War zu diesem Zeitpunkt das Strafverfahren noch anhängig, so liegt bei einem Entzug der FE ein Verstoß gegen § 3 Abs. 3 S. 1 StVG vor. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entzugsentscheidung kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Verfahrensfehler auswirkt, da nicht prognostiziert werden kann, ob im Strafverfahren die FE entzogen wird. Auch wenn die Behörde bei einem Abschluss des Strafverfahrens ohne Fahrerlaubnisentzug im Strafverfahren sofort einen neuen Bescheid erlassen muss, der mit dem unter Verstoß gegen § 3 Abs. 3 StVG ergangenen praktisch identisch is...

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