Rz. 23

Die Bindung der Verwaltungsbehörde an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung entfällt, wenn das Gericht von einem anderen, z.B. einem weniger umfassenden Sachverhalt ausgegangen ist, als er der behördlichen Beurteilung der Fahreignung zugrunde liegt.[39]

 

Rz. 24

Das BVerwG hat wiederholt entschieden, dass die Entscheidung der Frage, ob eine Bindung gem. § 3 Abs. 3 StVG vorliegt, allein davon abhängt, ob das Strafgericht denselben Sachverhalt beurteilt hat wie nunmehr die Behörde.

 

Rz. 25

In BVerwG VRS 29, 158 hatte der Strafrichter von 14 Zuwiderhandlungen lediglich vier gewürdigt. Hier wurde eine Bindung abgelehnt, weil "keine Rede davon sein" könne, "dass es sich um denselben Sachverhalt" handele. Das BVerwG[40] bestätigte dies noch einmal: "Die lediglich isolierte Würdigung einer Zuwiderhandlung oder nur weniger Zuwiderhandlungen durch den Strafrichter bewirkt keinen “Verbrauch‘ dieser Zuwiderhandlung(en) in der Weise, dass sie in eine Gesamtwürdigung aller Zuwiderhandlungen nicht einbezogen werden dürfte(n)."

 

Rz. 26

Eine Bindung an das Strafurteil tritt auch dann nicht ein, wenn das Strafgericht bei seiner Beurteilung Ordnungswidrigkeiten nicht berücksichtigen durfte, die im Zeitpunkt der strafgerichtlichen Hauptverhandlung bereits getilgt waren, aufgrund des Tattagsprinzips im Rahmen des § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 StVG aber von der Verwaltungsbehörde berücksichtigt werden durften.[41]

 

Rz. 27

Die Verwaltungsbehörde ist bei der Entziehung der FE auch dann nicht gem. § 3 Abs. 3 StVG an die positive Eignungsbeurteilung des Strafrichters gebunden, wenn dieser wegen eines unrichtigen Auszugs aus dem Straf- und dem Fahreignungsregister Vorstrafen des Kraftfahrers übersehen und deswegen einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, als ihn die Behörde beurteilen muss.[42]

 

Rz. 28

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Unterrichtung nach § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG a.F. (Hinweis beim Erreichen von 8–13 Punkten) keine Bindungswirkung für nachfolgende Maßnahmen der Fahrerlaubnisbehörde entfaltet,[43] so dass auch eine etwaige unzutreffende Auskunft gegenüber dem Amtsgericht über den Punktestand für die Fahrerlaubnisbehörde irrelevant ist.[44]

 

Rz. 29

Beim Erwerb von Betäubungsmitteln nach § 29 BtMG und der nachfolgenden Teilnahme am Straßenverkehr unter Einfluss berauschender Mittel nach § 24a StVG kann es sich um zwei isoliert zu betrachtende prozessuale Taten handeln. Ein solcher Fall liegt vor, wenn der von der Staatsanwaltschaft als selbstständige Handlung und Straftat angeklagte Erwerb von Betäubungsmitteln keinen Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs hat. Das setzt voraus, dass die Fahrt weder dem Transport von Rauschgift noch der Vorbereitung, Durchführung, Ermöglichung, Verdeckung oder Ausnutzung der Betäubungsmittelstraftat diente oder die Tat die Betriebsgefahr des Fahrzeugs erhöhte. Hier kommt dem Strafverfahren hinsichtlich der Drogenstraftat keine Sperrwirkung zu.[45]

Ebenso kommt bei einer Verurteilung ausschließlich wegen Drogenbesitzes der Entzug der FE nicht in Betracht. Auch hier entfällt die Bindungswirkung nach § 3 Abs. 4 StVG.[46]

[39] BVerwG NZV 1988, 37, mit Anm. Steinert; VG Meiningen zfs 1995, 360.
[40] BVerwG NJW 1979, 2163.
[41] BayVGH v. 21.6.2010, 11 CS 10.377, zfs 2010, 597.
[42] BVerwG NZV 1988, 37.
[44] BayVGH v. 12.7.2010, 11 CS 10.520.
[45] BayVGH, Beschl. v. 15.9.2015, 11 CS 15.1682, BA 52 (2015), 426, juris Rn 14 ff.
[46] OVG NRW, Beschl. v. 29.4.2015, 16 A 2773/13, VRS 129 (2015), 161, juris Rn 3, 10.

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