Rz. 147
Gem. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sind vom Erwerb eines Erbschaftsteuerpflichtigen als Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Hierzu zählt nach überwiegender Meinung auch die Leistung einer Abfindung als Gegenleistung für den Verzicht auf einen Pflichtteilsanspruch.
Rz. 148
Von dem vorstehenden Grundsatz macht der BFH eine Ausnahme, wenn die vereinbarte Abfindung erst mit dem Ableben des beschwerten Erben fällig werden soll. In diesem Fall fehle es an einer Beschwer des Erben. Kritisch ist hierzu anzumerken, dass diese Entscheidung des BFH der Wertung des Gesetzgebers widerspricht, wonach im Pflichtteilsrecht die Besteuerung des Pflichtteils und die Abzugsmöglichkeit des Pflichtteils nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG lediglich von der Geltendmachung des Pflichtteils, nie jedoch von der tatsächlichen Auszahlung des Pflichtteils abhängen. Die Auffassung des BFH in seiner Entscheidung vom 27.6.2007 vermag nicht zu überzeugen. Für die Argumentation des BFH spricht zwar, dass das Erbschaftsteuerrecht grundsätzlich vom Belastungsprinzip ausgehen mag, so dass der Abzug von Verbindlichkeiten dann ausscheidet, wenn eine Belastung des Erben grundsätzlich nicht eintreten kann. Dieser allgemeine Grundsatz wird m.E. jedoch im Bereich des Pflichtteilsrechts durchbrochen. Denn § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG i.V.m. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG geht gerade davon aus, dass es im Bereich des Pflichtteilsrechts ausschließlich auf die Geltendmachung des Pflichtteils ankommt. Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass eine doppelte Erbschaftsteuerbelastung dann eintreten kann, wenn zunächst der Pflichtteil geltend gemacht wird, nicht zur Auszahlung gelangt und nach der endgültigen Geltendmachung der Pflichtteilsberechtigte auf seinen Pflichtteil verzichtet, ohne eine gleichwertige Abfindung dafür zu erhalten. Nach Ansicht des BFH in der genannten Entscheidung aus dem Jahre 2006 führt zunächst die Geltendmachung des Pflichtteils zur Abzugsfähigkeit des Pflichtteils nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG; der Pflichtteilsberechtigte hat den Pflichtteil zu versteuern nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG. Mit dem späteren Verzicht auf den Pflichtteil tätigt der Pflichtteilsberechtigte nunmehr eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zugunsten des Erben. Ohne dass also ein einziger Cent geflossen ist, unterstellt der BFH hier ausdrücklich einen doppelten Erbschaftsteuervorgang. Dies verdeutlicht, dass die Entscheidung des Gesetzgebers, beim Pflichtteil ausschließlich auf die Geltendmachung abzustellen, zu einer Abkehr vom Belastungsprinzip zwingt. Dies sollte die Rechtsprechung auch konsequent im Bereich der gestundeten Abfindung gegen einen Pflichtteilsverzicht umsetzen.
Rz. 149
Praxishinweis
Für die Praxis der Vertragsgestaltung folgt aus dem vorstehend zitierten BFH-Urteil, dass die Vereinbarung von Abfindungen gegen Verzicht auf den Pflichtteil unter gleichzeitiger Stundung auf den Todesfall des länger lebenden Elternteils unterlassen werden sollte. Der BFH hat in dem bezeichneten Urteil vom 27.6.2007 offengelassen, ob sich die steuerschädliche Nichtanerkennung der Gestaltung vermeiden ließe, wenn der bis zum Todesfall gestundete Anspruch besichert würde, beispielsweise durch Sicherungshypotheken oder dergleichen. Diese Gestaltung ist jedoch weiterhin riskant und sollte bis zu einer abschließenden Klärung durch die Rechtsprechung/Finanzverwaltung nicht weiterverfolgt werden. Sicherer ist es daher, beispielsweise Grundbesitz als Abfindung für den Pflichtteilsanspruch zu übertragen und sich an diesem Grundbesitz einen Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht vorzubehalten. Alternativ können die Erträge durch Versorgungsleistungen vorbehalten werden. Soweit es sich um die Zuwendung von Barvermögen handelt, ist der Vorbehalt eines Nießbrauchs meist unerwünscht. Hier kann alternativ der Abfindungsbetrag in eine Gesellschaft eingebracht werden, an denen der länger lebende Elternteil und die Schlusserben beteiligt sind, wobei die Beteiligung des Erben beispielsweise auf 1 % beschränkt sein kann, während die Schlusserben 99 % der Gesellschaftsanteile halten. Gleichzeitig kann das alleinige Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht dem Erben als Mitgesellschafter der Gesellschaft vorbehalten werden. Eine derartige Gestaltung verstößt m.E. weder gegen § 42 AO noch lässt sie mangels Belastung des Erben die Gestaltung sonst scheitern. Das erstrebte Ziel lässt sich im Übrigen am einfachsten auch erreichen, indem ausschließlich der Pflichtteil geltend gemacht wird. Auf eine Auszahlung oder Stundung kommt es hier nicht weiter an.
Rz. 150
Hinsichtlich der Bewertung gelten die bereits dargestellten Grundsätze (siehe Rdn 82 ff.). Der Belaste...