Rz. 85
Gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind von dem Erwerb des Erben als Nachlassverbindlichkeiten die Verbindlichkeiten aus dem geltend gemachten Pflichtteil abzugsfähig. Weitere Regelungen zum genauen Zeitpunkt sowie zur Bewertung finden sich in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG nicht. Dennoch wird zu Recht aus der Erwähnung der Geltendmachung des Pflichtteils abgeleitet, dass die Pflichtteilslast beim Erben erst dann abzugsfähig wird, wenn sie der Pflichtteilsberechtigte tatsächlich geltend gemacht hat. Für die Abzugsfähigkeit der Pflichtteilsverbindlichkeiten reicht es nach dem Wortlaut und eindeutige Entscheidung des BFH aus, dass die Geltendmachung erfolgt sei; auf die Erfüllung dieser Geldschuld kommt es für den Abzugsposten ausdrücklich nicht an. Damit setzt der BFH klar die vom Gesetzgeber entschiedene Regelung um, verabschiedet sich jedoch auch von dem sonst vertretenen Belastungsgedanken. Dies ist in der BFH-Rechtsprechung nicht konsequent umgesetzt, da der BFH an anderen Stellen auf die tatsächliche Belastung des Erben mit dem Pflichtteil abstellt. Hat der Pflichtteilsberechtigte nur einen Teil seines Pflichtteilsanspruchs geltend gemacht, muss er nur diesen Teil der Erbschaftsteuer unterwerfen und kann der Erbe auch nur in dieser Höhe Nachlassverbindlichkeiten geltend machen. Gleiches gilt, wenn sich der Pflichtteilsberechtigte beispielsweise im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Höhe des Pflichtteils mit weniger zufrieden gibt als er ursprünglich beansprucht hat. Auch insoweit berechnet sich die Erbschaftsteuer aus dem niedrigeren Betrag und kann auch nur dieser als Nachlassverbindlichkeit in Abzug gebracht werden.
Rz. 86
Hinsichtlich des Begriffs der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gelten die bereits oben dargestellten Grundsätze (siehe Rdn 25 ff.).
Praxishinweis
Besteht Streit über die Höhe des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs, sollte der Erbe den geltend gemachten, aber noch nicht endgültig konkretisierten Anspruch im Rahmen der Erbschaftsteuerveranlagung anmelden und insoweit eine vorläufige Festsetzung anstreben. Denn dann kann der zutreffende Pflichtteil auch bei einer längeren gerichtlichen Auseinandersetzung berücksichtigt werden.
Rz. 87
Wie bereits im Rahmen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3 ErbStG dargestellt, kann der Pflichtteilsanspruch auch noch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden (siehe Rdn 55 ff.). Dem Erben ist es unbenommen, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben und den Pflichtteil zu erfüllen. Bis zum Zeitpunkt der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs entsteht die berücksichtigungsfähige Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG unmittelbar mit der Geltendmachung selbst. Eine bereits erfolgte Steuerveranlagung ist dementsprechend zu korrigieren (§§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 2 BewG). Dabei ist gem. § 5 Abs. 2 S. 2 BewG i.V.m. § 6 BewG die Ein-Jahres-Frist zu beachten, innerhalb derer die nachträgliche Berücksichtigung der Belastung zu beantragen ist. Ist die Frist abgelaufen, so entfällt die Möglichkeit der nachträglichen Berücksichtigung der Pflichtteilslast. Ist hingegen die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bereits eingetreten, so genügt die Geltendmachung desselben nicht, um den Abzugsbetrag als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zuzulassen. Denn es ist mit der Geltendmachung noch unsicher, ob der Erbe sich auf die Einrede der Verjährung beruft oder nicht. Eine Berücksichtigung der Nachlassverbindlichkeit ist daher erst dann möglich, wenn der Erbe definitiv auf die Ausübung der Einrede der Verjährung verzichtet oder aber die Pflichtteilsschuld erfüllt hat.
Rz. 88
Strittig ist hinsichtlich der Berücksichtigung der Geltendmachung eines bereits verjährten Pflichtteilsanspruchs als Nachlassverbindlichkeit gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG, ob dies auch dann möglich ist, wenn der mit der Pflichtteilslast beschwerte Erbe in der Zwischenzeit verstorben ist und vom Pflichtteilsberechtigten in der Zwischenzeit beerbt wurde. Das FG München und nunmehr auch der BFH lehnen dies ab, während Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk einen Abzug gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG zulassen. Dies folgt nach Meinung von Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk aus § 10 Abs. 3 ErbStG, wonach durch den Erbfall der zivilrechtlich eintretende Verlust einer Forderung durch Konfusion erbschaftsteuerlich unbeachtlich sei. Dass diese Meinung nicht zu überzeugen vermag, wurde bereits dargelegt (siehe Rdn 57).
Rz. 89
Hinsichtlich der Bewertung des geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs ist die Nachlassverbindlichkeit im Rahmen des § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG korrespondierend zum Erwerb des Pflichtteilsberechtigten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu bewerten. Der Pflichtteil ist daher stets mit seinem Nominalbetrag in Ansatz zu bringen. Nach den oben dargestellten Grundsätzen gilt dies auch bei Hingabe von Grundbesitz oder Betriebsvermögen an Erfüllung statt (§ 364 Abs. 1 BGB) für den Pflichtteilsanspruch. Da nach der R...