1. Ausgangspunkt und Systematik
Rz. 167
Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was als Abfindung für einen Erbverzicht (§ 2346 BGB) gewährt wird. Gem. § 2346 Abs. 2 BGB kann entweder auf das Erbrecht insgesamt oder aber auf das Pflichtteilsrecht als Teil des Erbrechts isoliert verzichtet werden. Auch dies unterfällt dem Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Im Gegensatz zu den bisher behandelten Fallkonstellationen geht es dabei nicht um einen Erlass von Ansprüchen nach dem Ableben des Erblassers, sondern um einen Vertrag mit dem Erblasser (§ 2346 BGB), wonach bereits vor dem Eintritt des Erbfalls für diesen Fall auf das Pflichtteilsrecht als solches verzichtet wird. Wird hierfür eine Abfindung gewährt, so ist diese Zuwendung aufgrund des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG steuerpflichtig.
Rz. 168
Nach einer verbreiteten Meinung in der Rechtslehre handelt es sich dabei um eine lediglich deklaratorische Vorschrift als Spezialregelung zu § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn bei der Abfindung handele es sich um eine unentgeltliche Zuwendung an den Verzichtenden, der keine Gegenleistung gegenüberstehe. Der Verlust des Pflichtteilsrechts sei als bloße Erwerbsaussicht nicht als eigenständiger Vermögenswert anzusehen, der als Gegenleistung hierfür steuerlich anzuerkennen sei. Auch der BFH hält die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG lediglich für eine klarstellende Regelung, mit der der Gesetzgeber bei ihrem Erlass Zweifel über die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit einer Abfindung für den Verzicht auf das Erb- oder Pflichtteilsrecht beseitigen wollte. Demgegenüber will Crezelius zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Pflichtteilsverzichten unterscheiden: Sei der Pflichtteilsverzicht entgeltlich, so greife § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG nicht ein. Diese Meinung widerspricht jedoch dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und auch der Systematik des Gesetzes.
2. Zuwendungsverhältnis
Rz. 169
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG gilt unabhängig davon, ob die Abfindung vom Erblasser selbst oder von einem Dritten gewährt wird. Fraglich ist jedoch, ob für die Freibeträge und die Steuerklasse wie bei § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ebenfalls stets auf das Verhältnis des Pflichtteilsberechtigten zum Erblasser abzustellen ist.
Beispiel
Vater V ist Inhaber umfangreichen Immobiliengrundbesitzes. Er hat zwei Söhne, S 1 und S 2. Innerhalb der Familie ist man sich darüber einig, dass zur Fortführung des Immobilienengagements der Sohn S 2 am besten geeignet sei. Um eine vorweggenommene Erbfolge sowie die endgültige Erbfolge vorzubereiten, soll daher S 1 zu Lebzeiten des V auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass des Vaters V verzichten. Dafür soll der Sohn S 2 diesem ein ihm bereits gehörendes wertvolles Grundstück übereignen, das er später als Familienwohnheim nutzen möchte. Darüber hinaus soll er Bargeld von seinem Bruder S 2 erhalten.
Rz. 170
Nach ursprünglicher Auffassung des BFH sowie der h.M. sollte der Besteuerung der Abfindung das Verhältnis zum Verzichtsempfänger, also zum potenziellen Erblasser, auch dann zugrunde zu legen sein, wenn die Abfindung von einem Dritten geleistet wird. In der Entscheidung vom 25.1.2001 begründete der BFH dies in einem vergleichbaren Fall wie folgt: "Der Verzicht auf Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegenüber einem anderen gesetzlichen Erben kann hinsichtlich der Steuerklasse vor Eintritt des Erbfalls nicht anders behandelt werden als nach Eintritt des Erbfalls. Beide Male geht es um die wertmäßige Teilhabe des Verzichtenden am Vermögen des Erblassers. Nach Eintritt des Erbfalls aber ist der Verzicht auf die noch nicht geltend gemachten Pflichtteilsansprüche gegen Abfindung gem. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG nach der...