1. Überblick
Rz. 11
Durchaus beliebt ist die Anordnung einer Dauervollstreckung gemäß § 2209 S. 1 Hs. 2 BGB bis zur Erreichung eines gewissen Alters eines minderjährigen Erben oder Vermächtnisnehmers ("Dauertestamentsvollstreckung"). Schließlich wird so verhindert, dass das Kind mit Volljährigkeit an die Erbschaft oder an das Vermächtnis gelangt. Das wäre ohne eine Anordnung und bei der Einsetzung eines Pflegers der Fall, da eine Pflegschaft mit der Volljährigkeit endet. Zudem unterliegt ein Testamentsvollstrecker nicht der familiengerichtlichen Aufsicht und hat auch nicht einzelne Rechtsgeschäfte durch das Familiengericht genehmigen zu lassen. Ebenfalls kann ein Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, nicht der Berufung einer Person als Testamentsvollstrecker widersprechen. Dies ist gegen die berufene Person als Pfleger bzw. als Vormund möglich (§ 1778 Abs. 1 Nr. 5 BGB, ggf. bei einem Pfleger i.V.m. § 1915 BGB).
Zu einer Interessenkollision kann es kommen, da dem Erben gegenüber dem Testamentsvollstrecker verschiedene Rechte zustehen, wie etwa die Vorlage eines Nachlassverzeichnisses (§ 2215 BGB), die unaufgeforderte Benachrichtigung (§ 2218 Abs. 1 i.V.m. § 666 BGB), der vorherige Freigabeanspruch nach § 2217 BGB und die Anhörungspflicht des Testamentsvollstreckers vor Ausführung des Auseinandersetzungsplans (§ 2204 Abs. 2 BGB), aber auch der Anspruch auf Entlassung (§ 2227 BGB). Diese Rechte des Erben bzw. des Vermächtnisnehmers gegenüber dem Testamentsvollstrecker werden schließlich von dem gesetzlichen Vertreter wahrgenommen. Das bedeutet, dass selbst bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung etwa der längerlebende Elternteil oder der geschiedene Elternteil als gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes gewissen Einfluss auf den Testamentsvollstrecker nehmen kann, was im Einzelfall unerwünscht sein kann. Ebenfalls kann eine Interessenkollision vorliegen, wenn eine Person, die nicht Elternteil ist, gleichzeitig als Testamentsvollstrecker und als Pfleger berufen wird, dann unter Ausschluss des gesetzlichen Vertreters hinsichtlich der Verwaltung der Erbschaft (§ 1638 BGB).
Rz. 12
Praxishinweis
Grundsätzlich sollte vermieden werde, dass einerseits der Testamentsvollstrecker und andererseits der Pfleger bzw. der Elternteil als gesetzlicher Vertreter personenidentisch sind.
2. Längerlebender Elternteil als gesetzlicher Vertreter und als Testamentsvollstrecker
Rz. 13
Besonders prekär ist die Situation, wenn der längerlebende Elternteil nicht nur alleiniger gesetzlicher Vertreter des minderjährigen Kindes ist, sondern auch in Personalunion Testamentsvollstrecker. Hier stellt sich stets die Frage, inwieweit ein Interessenwiderstreit vorliegt. Das OLG Nürnberg nahm mit durchaus überzeugenden Argumenten in dieser Konstellation einen generellen Interessenkonflikt i.S.v. § 1796 BGB an. Deshalb sei ein Ergänzungspfleger zwingend zu bestellen. Zur Begründung führte es aus, andernfalls müssten die Eltern bzw. ein Elternteil als Testamentsvollstrecker über die Wahrung der Rechte des Minderjährigen gegenüber sich selbst wachen.
Dem widersprach der BGH mit der Feststellung, es bestehe "kein genereller Interessengegensatz zwischen dem elterlichen Sorgerecht und einer Testamentsvollstreckung über den Nachlass" (§§ 1629 Abs. 2, 1796 Abs. 2 BGB); ferner läge kein Fall des § 1795 Abs. 2 i.V.m. § 181 BGB vor. Der Minderjährige sei ausreichend geschützt, wenn der testamentsvollstreckende Elternteil das Verzeichnis nach § 1640 BGB beim Familiengericht einreiche.
Anders in dem Fall des OLG Köln: Die Kindsmutter war auch Testamentsvollstreckerin. Ihr war aber die sorgerechtliche Vertretung des Kindes zur Wahrnehmung seiner Rechte gegenüber ihr als Testamentsvollstreckerin zu entziehen. Einen erheblichen Interessengegensatz i.S.d. §§ 1629 Abs. 2 S. 3, 1796 BGB hatte das Gericht aufgrund konkreter Umstände festgestellt. So hat sie "wegen ihres Misstrauens gegenüber der Justiz" erst auf Druck des Familiengerichts das Verzeichnis nach § 1640 BGB vorgelegt. Auch benötige sie zur Nachlassabwicklung Hilfe Dritter, zumal zum Nachlass Mietobjekte gehörten. Zudem brauche sie i.d.R. einen Dolmetscher, was bei der Verwaltung eines umfangreichen Nachlasses nachteilig sei.
Rz. 14
Praxishinweis
Grundsätzlich wird bei "normalen" Verhältnissen das Familiengericht keinen Pfleger bestellen, wenn der längerlebende Elternteil auch Testamentsvollstrecker ist. Vorsorglich sollte eine solche Gestaltung stets mit der Benennung eines Pflegers abgesichert werden.