Rz. 4
Bevor man sich den Detailfragen des Franchising zuwenden kann, gilt es zunächst einen näheren Blick auf die Rechtsnatur und die vertragliche Ausgestaltung von Franchiseverhältnissen zu werfen.
Rz. 5
Ausgangspunkt hierfür ist das Konzept des Franchising an sich. Wenngleich sich in Rechtsprechung und Literatur bislang eine einheitliche Definition nicht durchgesetzt hat, gibt es eine Reihe von ähnlichen Definitionsversuchen. Repräsentativ und umfassend dürfte jedenfalls die offizielle Definition des European Franchise Federation (EFF) in seinem Ethikkodex von 2004 sein: "Franchising ist ein Vertriebssystem, durch das Waren und/oder Dienstleistungen und/oder Technologien vermarktet werden. Es gründet sich auf eine enge und fortlaufende Zusammenarbeit rechtlich und finanziell selbstständiger und unabhängiger Unternehmen, den Franchisegeber und seine Franchisenehmer. Der Franchisegeber gewährt seinen Franchisenehmern das Recht und legt ihnen gleichzeitig die Verpflichtung auf, ein Geschäft entsprechend seinem Konzept zu betreiben. Dieses Recht berechtigt und verpflichtet den Franchisenehmer, gegen ein direktes oder indirektes Entgelt im Rahmen und für die Dauer eines schriftlichen, zu diesem Zweck zwischen den Parteien abgeschlossenen Franchise-Vertrages bei laufender technischer und betriebswirtschaftlicher Unterstützung durch den Franchisegeber, den Systemnamen und/oder das Warenzeichen und/oder die Dienstleistungsmarke und/oder andere gewerbliche Schutz- oder Urheberrechte sowie das Know-how, die wirtschaftlichen und technischen Methoden und das Geschäftssystem des Franchisegebers zu nutzen […]."
Rz. 6
Rechtlich betrachtet verpflichtet sich im Rahmen des Franchise-Vertrages der Franchisegeber als Systemschöpfer, dem Franchisenehmer gegen Entgelt ein Leistungspaket, bestehend aus Organisations- und Marketingkonzepten sowie der Gewährung von Schutzrechten, zur Verfügung zu stellen und den Franchisenehmer zu diesem Zwecke auszubilden und bei der Umsetzung des Konzepts aktiv zu unterstützen. Die Einhaltung der Systemstandards unterliegt dabei der ständigen Überwachung durch den Franchisegeber, der diese ggf. durch Weisung durchzusetzen vermag. Der Franchisenehmer, der im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig ist, stellt im Gegenzug neben Kapital auch seine Arbeitskraft in den Dienst des Absatzsystems und verpflichtet sich, seinen typischerweise vertraglich vereinbarten Mitteilungs- und Informationspflichten gegenüber dem Franchisegeber nachzukommen.
Rz. 7
Bei dem Franchise-Vertrag handelt es sich demnach um ein vertikal ausgerichtetes synallagmatisches Dauerschuldverhältnis für den Vertreib von Waren und Dienstleistungen unter einer einheitlichen Marke, das typischerweise geschäftsbesorgungs- und lizenzrechtliche Komponenten sowie Elemente von Kauf-, Pacht- und Mietverträgen in sich vereinigt. Aufgrund der Vielschichtigkeit der vertraglichen Gestaltung ordnet die ganz herrschende Meinung den Franchise-Vertrag nicht einem bestimmten Vertragstyp zu, sondern qualifiziert ihn als typengemischten Vertrag ("Mischvertrag"), bei dem zumindest nach außen oft die lizenzrechtliche Komponente mit Blick auf die Nutzung der "alles überragenden" Systemmarke im Mittelpunkt steht.
Dieses rechtliche Korsett hat nun zur Folge, dass es ein klassisches Franchiserecht nicht geben kann, sondern vielmehr (nur) eine franchisespezifische Bündelung verschiedener Elemente von diversen Vertragstypen, die im Folgenden noch darzustellen sind (vgl. Rdn 24 ff.).