A. Allgemeines
Rz. 1
Gemeinschaftskonten und -depots werden den Ehegatten grundsätzlich steuerlich entsprechend dem Zivilrecht zugerechnet. Bei einem Oder-Konto bzw. Oder-Depot sind die Ehegatten mithin grundsätzlich Gesamtgläubiger nach § 428 BGB, mit der Folge, dass sie nach § 430 BGB im Verhältnis zueinander zu gleichen Anteilen berechtigt sind, soweit nichts anderes bestimmt ist. Im Erbfall unterfällt mithin grundsätzlich die Hälfte des Guthabens dem steuerpflichtigen Erwerb.
B. Einzahlungen eines Ehegatten
Rz. 2
Die Zahlung eines Ehegatten auf ein Oder-Konto und Oder-Depot beider Ehegatten kann i.H.v. 50 % eine Zuwendung i.S.v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG an den anderen Ehegatten sein. Eine Bereicherung des anderen Ehegatten liegt jedoch nur vor, wenn und soweit dieser im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei über das eingezahlte Guthaben verfügen kann und die Zuwendung unentgeltlich ist, also der Empfänger zivilrechtlich zur Rückgewähr des Überlassenen nicht verpflichtet ist.
Rz. 3
Maßgeblich sind nach dem BFH zunächst von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichende schriftliche oder mündliche Vereinbarungen der Eheleute über das Innenverhältnis (wem gehört das Guthaben) bezüglich des Kontos (z.B. Vereinbarung der Eheleute, dass das eingezahlte Guthaben beiden Eheleuten gehören soll bzw. geschenkt wird oder eine gegenteilige Vereinbarung).
Hinweis
Einer übereinstimmenden Darstellung des Innenverhältnisses durch die Eheleute kann zwar nach dem BFH regelmäßig gefolgt werden, wenn nicht objektive Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung begründen. Bei Einzahlung größerer Beträge empfiehlt es sich, im Zusammenhang mit der Einzahlung schriftliche Vereinbarungen zu treffen. Damit kann festgelegt werden, dass der nicht einzahlende Ehegatte zur Hälfte an dem Guthaben berechtigt oder nicht berechtigt sein soll oder er bestimmte Beträge für eigene Zwecke verwenden kann.
Rz. 4
Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, ist das Innenverhältnis vornehmlich aus dem Verhalten der Eheleute zu erschließen. Maßgeblich ist in erster Linie, wie die Eheleute ein Oder-Konto tatsächlich handhaben und hier insbesondere, wie sie die Mittel verwenden, die sie nicht für die laufende Lebensführung abheben/benötigen. Je häufiger der nicht einzahlende Ehegatte auf das Guthaben des Oder-Kontos zugegriffen hat, um eigenes Vermögen zu schaffen, umso stärker spricht sein Verhalten dafür, dass er, wie der einzahlende Ehegatte, zu gleichen Teilen Berechtigter ist, also eine Schenkung vorliegt.
Rz. 5
Lässt sich trotz Mitwirkung des zur Schenkungsteuer herangezogenen Ehegatten nicht aufklären, ob ein von der Auslegungsregel des § 430 BGB abweichendes Innenverhältnis zwischen den Eheleuten in Bezug auf ein Gemeinschaftskonto vorliegt, trägt das Finanzamt die Feststellungslast für die Tatsachen, die zur Annahme einer freigebigen Zuwendung erforderlich sind, also dafür, dass der nicht einzahlende Ehegatte über das auf den Einzahlungen des anderen Ehegatten beruhende Guthaben auf dem Oder-Konto zur Hälfte tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann und damit durch die Zuwendung des hälftigen Guthabens bereichert ist, sowie dass die Zuwendung objektiv unentgeltlich ist. Gibt es hinreichend deutliche objektive Anhaltspunkte dafür, dass beide Ehegatten zu gleichen Anteilen am Kontoguthaben beteiligt sind, trägt der zur Schenkungsteuer herangezogene Ehegatte die Feststellungslast dafür, dass im Innenverhältnis nur der einzahlende Ehegatte berechtigt sein soll, wobei allein die Einzahlung durch einen Ehegatten kein ausreichender Anhaltspunkt dafür ist, dass der nicht einzahlende Ehegatte zur Hälfte an dem eingezahlten Betrag beteiligt sein soll.
Hinweis
Verwendet der nicht einzahlende Ehegatte nur im Einzelfall einen Betrag zum Erwerb eigenen Vermögens, spricht dies dafür, dass sich die Zuwendung des einzahlenden Ehegatten an den anderen Ehegatten nur auf diesen Betrag beschränkt und nicht einen hälftigen Anteil am gesamten Guthaben auf dem Oder-Konto betrifft.
C. "Steuerstornierung"
Rz. 6
Beim lebzeitigen Ausgleich des Zugewinns entfällt eine auf einen anrechenbaren Vorausempfang i.S.d. § 1380 BGB entrichtete Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG und führt zu einer nachträglichen Änderung des Schenkungsteuerbescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO (siehe § 11 Rdn 1>). Gelingt mithin der Nachweis, dass bei Einzahlungen auf ein Gemeinschaftskonto/ -depot keine freigebige Zuwendung vorliegt, kann eine entsprechende Schenkungsbesteuerung im Wege des Zugewinnausgleichs u.U. "storniert" werden. In der Regel wird der einzahlende Ehegatte (Tantiemen, Gewinne aus Veräußerungen von Firmenbeteiligungen etc.) den höheren Zugewinn erzielt haben.
Rz. 7
Der rückwirkende Wegfall des Steueranspruchs "ex tunc" (hier: Erlö...