Rz. 11
Die Nachlasspflegschaft ist eine Nachlasssache nach § 342 Abs. 1 Nr. 2 FamFG. Zugleich ist sie aber auch als Pflegschaft eine "betreuungsrechtliche Zuweisungssache" gemäß § 340 Nr. 1 FamFG. Sie kommt in Betracht, wenn ein Bedürfnis für die Sicherung des Nachlasses besteht, § 1960 Abs. 1 BGB, insbesondere wenn der Erbe unbekannt ist oder Ungewissheit über die Annahme der Erbschaft besteht, § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Nachlasspflegschaft stellt eine wirkliche Pflegschaft im Sinne der §§ 1809 ff. BGB (§§ 1909 ff. BGB a.F.) dar. Der Nachlasspfleger ist dabei gesetzlicher Vertreter des noch unbekannten Erben und nicht Amtsträger wie der Testamentsvollstrecker oder der Nachlassverwalter. Das Nachlassgericht tritt funktional an die Stelle des Betreuungsgerichts, § 1962 BGB.
Voraussetzung für eine Nachlasspflegschaft sind ein Sicherungsanlass und ein Sicherungsbedürfnis.
I. Sicherungsbedürfnis
Rz. 12
Über das Vorhandensein eines Fürsorgebedürfnisses, hat das Nachlassgericht von Amts wegen zu prüfen und nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Abzustellen ist dabei auf das Interesse des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses. Die Prüfung der Anordnung einer Nachlasspflegschaft erfolgt im FamFG-Verfahren.
Rz. 13
Zuständig ist auch das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Bedürfnis der Fürsorge für die Sicherung des Nachlasses auftritt, § 344 Abs. 4 FamFG. Die internationale Zuständigkeit folgt dabei aus der örtlichen Zuständigkeit, § 105 FamFG. Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 3 Nr. 2c RPflG, sofern kein Richtervorbehalt nach § 16 RPflG besteht.
Rz. 14
Auch im Zivilprozess kann die Bedürfnisprüfung eine Rolle spielen, z.B. in einem Rechtsstreit, den ein Nachlasspfleger führt. Ist ein Testamentsvollstrecker oder ein Bevollmächtigter vorhanden, dessen Vollmacht über den Tod hinaus reicht, wird meist ein Fürsorgebedürfnis meistens zu verneinen sein.
II. Unbekannter Erbe
Rz. 15
Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft ist, dass der Erbe unbekannt ist. Dies ist bei folgenden Konstellationen denkbar:
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erhebliche, nicht sofort entkräftbare Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Vorliegen eines Testaments |
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Streit zwischen mehreren Erbprätendenten über die Erbfolge |
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Unklarheit über die Wirksamkeit einer Erbschaftsausschlagung |
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beachtliche Unwirksamkeitsgründe bspw. bei evtl. Sittenwidrigkeit eines Testaments |
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die Vaterschaft eines nichtehelichen Kindes ist beim Erbfall noch nicht festgestellt; u.U. auch bei Unklarheit über die Höhe der Erbquoten |
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der Erbe ist vor dem Erbfall gezeugt, aber noch nicht geboren (§ 1923 Abs. 2 BGB "nasciturus") – die lediglich theoretische Annahme, es könnten weitere bisher unbekannte Kinder geboren oder gezeugt sein, reicht nicht aus |
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bei Einsetzung einer genehmigungspflichtigen Stiftung zur Erbin ist bis zur Erteilung der Genehmigung die Erbfolge unklar. |
Rz. 16
Ist die Wirksamkeit der Annahme der Erbschaft bzw. deren Anfechtung zweifelhaft, so besteht eine Ungewissheit über die Erbschaftsannahme i.S.d. § 1960 Abs. 1 S. 2 BGB. Insbesondere in den Fällen, in denen die Annahme der Erbschaft angefochten wird (§§ 1954, 1956 BGB), ist ungewiss, ob der Erbe die Erbschaft angenommen hat. Darüber ist letztlich in einem Erbscheinsverfahren oder in einem Erbenfeststellungsprozess zu entscheiden.
III. Die Anordnung der Nachlasspflegschaft
Rz. 17
Die Aufzählung in § 1960 Abs. 2 BGB ist nicht abschließend. Das Gesetz unterscheidet drei Fälle der Nachlasspflegschaft:
Die Sicherungspflegschaft stellt das für die Praxis bedeutsamste Sicherungsmittel dar. Den noch unbekannten endgültigen Erben wird ein Vertreter (Personenpfleger) bestellt, dessen Aufgabe es ist, den Nachlas...