Rz. 22
Mehraufwendungen sind zu erstatten, wenn infolge der Schädigung gesteigerte Bedürfnisse des Geschädigten bestehen, er z.B. besondere Pflege oder besondere Hilfsmittel benötigt oder sein Umfeld auf die neue Situation eingerichtet werden muss, etwa durch Umbauten an Immobilien oder Fahrzeugen wegen einer bestehenden Behinderung. Zu ersetzen sind die erforderlichen Aufwendungen. Der Pflegebedarf bestimmt sich nach den Dispositionen, die ein verständiger Geschädigter in seiner besonderen Lage getroffen hätte. Für die Berechnung der Mehrbedarfsrente spielen abstrakte Beeinträchtigungssätze (etwa die Minderung der Erwerbsfähigkeit) keine Rolle. Der Ersatz hat je nach den Umständen durch Zahlung einer Rente oder eines einmaligen Geldbetrags zu erfolgen. Zu ersetzen ist generell nur der tatsächliche Aufwand. Eine fiktive Abrechnung ist für die meisten Schadenspositionen unzulässig. Dies gilt allerdings mit der Einschränkung, dass ein unfallbedingt entstandener Haushaltsführungsschaden fiktiv abgerechnet werden kann (vgl. dazu § 13 Rdn 208). Sofern die Unfallverletzung dazu führt, dass der Verletzte den Haushalt für seinen Eigenbedarf nicht mehr führen kann, ist die Schadensgruppe der vermehrten Bedürfnisse betroffen. Der auf die Eigenbedarfsdeckung entfallende Anteil ist gem. § 287 ZPO zu schätzen. I.d.R. kann die Abgrenzung zwischen dem im Rahmen der persönlichen Ansprüche ersatzfähigen Mehrbedarf und dem darauf anzurechnenden Erwerbsschaden vereinfacht nach der Anzahl der zum Haushalt gehörenden Personen, also nach Kopfteilen erfolgen. Fiktiv abgerechnet werden können auch kostenlose Hilfeleistungen Dritter (vgl. oben Rdn 33 ff.). Keine fiktive Abrechnung liegt vor, wenn die feste Absicht besteht, bestimmte Maßnahmen vorzunehmen. Insoweit kommt ein Anspruch auf einen zweckgebundenen Vorschuss in Betracht (vgl. oben Rdn 4 f.).
Rz. 23
Ersatzpflichtig sind alle durch den Schadensfall bedingten Mehraufwendungen für die persönliche Lebensführung, die nicht der Wiederherstellung der Gesundheit oder der Erwerbsfähigkeit dienen, sondern den Zweck haben, diejenigen Nachteile auszugleichen, die dem Verletzten infolge eines erlittenen körperlichen Dauerschadens entstehen, und die bestimmt und geeignet sind, die jetzige durch den Unfall beeinträchtigte Lebensführung des Geschädigten wieder der früheren anzunähern. Es muss sich grundsätzlich um Mehraufwendungen handeln, die dauernd und regelmäßig erforderlich sind und die zudem nicht – wie etwa Heilungskosten – der Wiederherstellung der Gesundheit dienen. Zudem umfasst der Begriff "vermehrte Bedürfnisse" in § 843 Abs. 1 Alt. 2 BGB nur solche Mehraufwendungen, die dem Geschädigten im Vergleich zu einem gesunden Menschen erwachsen und sich daher von den allgemeinen Lebenshaltungskosten unterscheiden, welche in gleicher Weise vor und nach einem Unfall anfallen. Als ersatzpflichtige Kosten kommen danach z.B. erhöhte Ausgaben für Verpflegung und Ernährung (Diät), Aufwendungen für Kuren und orthopädische Hilfsmittel sowie Pflegekosten und Kosten für Haushaltshilfen in Betracht. Kommen zum Ausgleich der Pflegebedürftigkeit verschiedene Möglichkeiten mit unterschiedlichem Kostenaufwand in Betracht (z.B. Einstellung einer fremden Pflegekraft, Unterbringung in einem Pflegeheim oder Versorgung durch einen Familienangehörigen), so bestimmt sich die Höhe des Anspruchs wegen vermehrter Bedürfnisse danach, wie der Bedarf in der vom Geschädigten zumutbarer Weise gewählten Lebensgestaltung tatsächlich anfällt.
Rz. 24
Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutbarer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Eine für sämtliche Fallgestaltungen geltende Obergrenze in dem Sinne, dass der Ersatz der für die häusliche Pflege anfallenden Kosten generell auf den doppelten Betrag (oder ein anderes Vielfaches) der jeweiligen Heimunterbringungskosten beschränkt wäre, existiert nicht. Dies hat der Bundesgerichtshofs jetzt eindeutig klargestellt: Die Frage, ob der Geschädigte seine Lebensgestaltung in zumutbarer Weise gewählt hat, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf Ersatz vermehrter Bedürfnisse einen Ausgleich für die Nachteile schaffen soll, die dem Geschädigten infolge dauernder Störungen seines körperlichen Wohlbefindens entstehen. Er will es dem Geschädigten ermöglichen, sein gewohntes Leben trotz der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen möglichst weitgehend aufrecht zu erhalten. Dem entspricht es, dass ein Schwerstgeschädigter, sofern er dies will, in die ihm vertrauten früheren Lebensumstände zurückgeführt wird. Er muss sich grundsätzlich nicht auf die Möglichkeit der Pflege in einer stationären Einrichtung verweisen lassen, selbst wenn dies kostengünstiger wäre. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die häusliche Pflege mit unverhältnismäßigen, für den Schädiger auch unter Berücksichtigung der Belange des Geschädigten nach Treu...