Rz. 192
In der Literatur werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, wie die mit Stimmenmehrheit der Erben beschlossenen Grundstücksverfügungen umzusetzen sind und wie Grundbucheintragungen aufgrund Grundlage von Mehrheitsentscheidungen der Miterben zu erreichen sind. Rißmann verweist darauf, dass der Mehrheitsbeschluss den handelnden Erben Vertretungsmacht gewährt. In Vollzug der Veräußerung müsse die Eintragung des neuen Eigentümers in das Grundbuch ohne direkte Beteiligung der Minderheitserben erfolgen können. Konsequent müsste der die Vertretungsmacht begründende Mehrheitsbeschluss in der Form des § 29 GBO nachgewiesen sein (arg. Ex § 30 GBO). Bei der Beteiligung der Erbenmehrheit am notariellen Übertragungsvertrag ergäbe sich dies konkludent. Dies beseitige aber die in der Praxis bestehenden Probleme nicht: Zwar könne das Grundbuchamt die Mehrheitsverhältnisse anhand der Vorlage des Erbscheines bzw. notariellen Testamentes erkennen. Fraglich bleibe, ob und ggf. wie die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltungsmaßnahme durch das Grundbuchamt zu prüfen sei und ob es die Wirksamkeit der Erklärung grundsätzlich anzunehmen habe, wenn die durch Erbschein ausgewiesene Mehrheit der Erben handelt? Da das Grundbuchamt (auch) nicht berechtigt sei, die Geschäftsfähigkeit bei Erteilung einer Vollmacht zu überprüfen (als Vorfrage der Wirksamkeit der Vollmachterteilung), habe das Grundbuchamt auch nicht die Ordnungsmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Erbenmehrheit (gleichfalls Vorfrage der Wirksamkeit der Vollmacht durch Mehrheitsbeschluss) zu prüfen.
Rz. 193
Damrau führt aus, das materielle Recht betreffend die Vertretungsbefugnis der Erbenmehrheit müsse auch bezüglich der Verfügung über Grundstücke praktisch durchführbar sein. Es dürfe nicht sein, dass man der Erbenmehrheit die gesetzliche Vertretungsmacht bezüglich der Erbenminderheit für dingliche Rechtsgeschäfte zuspricht, aber Verfügungen über Grundstücke ausnimmt, weil das Verfahrensrecht versagt. Mehrheitsentscheidungen einer Erbengemeinschaft, die durch Verfügungen vollzogen werden, können auch im Grundbuch gewahrt werden, wenn Sie keine Teilung des Nachlasses darstellen. Mangels anderer Anhaltspunkte sei von einer ordentlichen Verwaltung auszugehen. Dies müsse dem Grundbuchamt nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden, plausible schriftliche Erklärungen seien ausreichend.
Hinsichtlich der Entscheidung des OLG München aus dem Jahr 2018 und die Berufung des Gerichts auf das Formerfordernis des § 29 GBO verweist Damrau darauf, dass derselbe Senat im Jahr 2020 beim Nachweis eines privatschriftlich geschlossenen Gesellschaftervertrags einer GbR auf die Einhaltung des § 29 GBO verzichtete.