Rz. 73
Hat der Erblasser in seinem Testament einer Person einen bestimmten Gegenstand gegen die Zahlung eines Übernahmepreises zugewiesen und soll nach der Regelung im Testament die Person selbst entscheiden können, ob sie den Nachlassgegenstand zu den Konditionen des Erblassers aus dem Nachlass übernehmen möchte, spricht man von einem Übernahmerecht.
1. Abgrenzung Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung
Rz. 74
Ist ein Miterbe begünstigt, kann das Übernahmerecht im Wege der Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) oder im Wege des Vorausvermächtnisses (§ 2150 BGB) zugewendet werden.
Sofern der mit dem Übernahmerecht bedachte Miterbe einen Anspruch auf die Übernahme des Gegenstandes zu den angeordneten Konditionen unabhängig von der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft haben soll, ist von einer Ausgestaltung des Übernahmerechts als Vorausvermächtnis auszugehen. Dies dürfte die in der Praxis häufigere Regelung sein, da es oftmals das Ziel des Erblassers ist, dem begünstigten Erben den Vermächtnisgegenstand vor bzw. unabhängig von einer endgültigen Erbauseinandersetzung aber ohne wirtschaftliche Benachteiligung der anderen Miterben zukommen zu lassen.
Auch zugunsten eines Dritten kann das Übernahmerecht im Wege eines Vermächtnisses angeordnet werden.
2. Wesen des vermächtnisweise zugewandten Übernahmerechts
Rz. 75
Der Anspruch auf Übertragung des Vermächtnisgegenstandes – meist gegen Zahlung eines Übernahmepreises – entsteht erst nach Abgabe und Zugang der empfangsbedürftigen, einseitigen Übernahmeerklärung des Bedachten. Der Nachlassgegenstand ist damit unter der aufschiebenden Potestativbedingung vermacht, dass der Bedachte sein Übernahmerecht ausübt. Mit dem Übernahmerecht ist nicht nur das bloße Recht auf Abschluss eines Kaufvertrages zugewendet, sondern der Nachlassgegenstand unter der aufschiebenden Bedingung selbst.
Rz. 76
Rechtsgrund der Vermächtniserfüllung ist die testamentarische Verfügung des Erblassers, Rechtsgrund der Pflicht zur Zahlung des Übernahmepreises ist die Verpflichtungserklärung des Bedachten im Vermächtniserfüllungsvertrag selbst.
Rz. 77
Der Vermächtnisnehmer ist verpflichtet, diese Verpflichtungserklärung zur Zahlung des Übernahmepreises abzugeben, da er als Vermächtnisnehmer insoweit mit einem Untervermächtnis (§§ 2147 S. 1 Alt. 2, 2186 BGB) beschwert ist. Das zugewendete Übernahmerecht selbst soll mit dem Wahlrecht einen eigenen Vermögensvorteil verschaffen. Darin ist ein weiteres Vermächtnis zu sehen.
3. Gegenstand des vermächtnisweise zugewandten Übernahmerechts
Rz. 78
Auch bei der Ausübung des vermächtnisweise zugewandten Übernahmerechts erhält der Bedachte den Nachlassgegenstand in dem rechtlichen und tatsächlichen Zustand, in dem er sich im Nachlass befindet. Das gilt jedenfalls, sofern der Erblasser keine Anordnung getroffen hat, dass der Gegenstand von den Erben frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übertragen ist.
Rz. 79
Verschlechtert sich der Gegenstand vor dem Erbfall, hat der Erbe nur diesen Gegenstand herauszugeben. Auch die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung des Vermächtnisgegenstandes bis zur Erfüllung hat wegen fehlender Mängelrechte ebenfalls der Bedachte zu tragen.
Rz. 80
Der steuerrechtlich relevante Erwerbsgegenstand eines Übernahmerechtsvermächtnisses ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG die aufschiebend bedingte Forderung des Vermächtnisnehmers gemäß § 2174 BGB gegen den Beschwerten, nicht dagegen das Gestaltungsrecht als eigene Vermögensposition. Die Forderung aus solchen Übernahmerechtsvermächtnissen ist dabei nicht mit dem Steuerwert des vermachten Gegenstandes zu bewerten, sondern mit dem gemeinen Wert.