Rz. 35
Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft und damit zwingend einhergehend auch die zum Erwerb der Rechtsfähigkeit erforderlichen Maßnahmen unterliegen dem Gesellschaftsstatut. Dies gilt z.B. für die Anforderungen an die Errichtung des Gesellschaftsvertrags und den notwendigen Inhalt.
Rz. 36
Dem Gesellschaftsstatut unterliegen die Voraussetzungen für das Entstehen einer Vorgesellschaft, ihre Rechtsfähigkeit und Organisation, die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten und die Übernahme der Verbindlichkeiten und Rechte durch die spätere Vollgesellschaft und die weiteren Wirkungen einer Vorgesellschaft. Dies folgt daraus, dass es sich bei der Vorgesellschaft letztlich bereits um die eigentliche Gesellschaft handelt. Lediglich das Gründungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Identität der Vorgesellschaft mit der vollendeten Gesellschaft bedingt auch die Identität des Personalstatuts beider Gesellschaften.
Rz. 37
Die Vor-Gründungsgesellschaft dagegen stellt ein eigenes Rechtsverhältnis dar, das sich nicht in der Kapitalgesellschaft bzw. der Vorgesellschaft fortsetzt, sondern nach Gründung der Gesellschaft evtl. neben der Vollgesellschaft als Gesellschaftervereinbarung eine eigene Existenz beibehält. Insoweit können die Beteiligten gem. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO das anwendbare Recht vereinbaren. Haben sie eine entsprechende Rechtswahl versäumt, gilt kraft "engster Verbindung" im Zweifel das Recht, nach dem die Gesellschaft errichtet werden soll. Teilweise wird angenommen, die Vor-Gründungsgesellschaft unterliege dem künftigen Gesellschaftsstatut. Diese Einordnung ist aber weder zwingend noch sinnvoll: Bezieht sich die Gesellschaftervereinbarung auf die Gründung von Gesellschaften in verschiedenen Staaten, ist die Divergenz sogar unvermeidbar. Probleme entstehen auch dann, wenn sich die Gesellschafter zwar über die Gründung der Gesellschaft einig sind, nicht aber darüber, in welchem Land diese erfolgen soll.
Rz. 38
In gleicher Weise unterliegt eine Gesellschaftervereinbarung unter den Gründern außerhalb des eigentlichen Gesellschaftsvertrags (z.B. joint venture agreement, vertragliche Nebenabreden unter den Gründungsgesellschaftern, soweit diese nicht materielle Satzungsbestimmung werden) dem von den Beteiligten frei gewählten Vertragsstatut. Insoweit gelten die gleichen Regeln wie für die Anknüpfung der Vor-Gründungsgesellschaft. Soweit sich die Vereinbarung allerdings auf die gesellschaftliche Struktur auswirkt, ergibt sich eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation der entsprechenden Fragen, sodass das Statut der Gesellschaft auf die Gesellschaftervereinbarung durchschlägt.
Rz. 39
Ausgenommen vom Gesellschaftsstatut sind registerrechtliche Fragen, wie etwa das Verfahren der Eintragung sowie die Anforderungen an die Anträge. Diese unterliegen der lex libri bzw. der lex fori, also dem Recht des Staates, dessen Behörde bzw. Gericht das Register führt. Da die Registrierung einer Kapitalgesellschaft in dem Land erfolgen muss, in dem sie ihren statutarischen Sitz hat und nach dessen Recht sie errichtet worden ist, deckt sich die lex libri zwangsläufig mit dem Gesellschaftsstatut, sodass eine Divergenz nicht vorstellbar ist.