Rz. 140
Art. 2 Abs. 1 AEUV bestimmt, dass die Gemeinschaft nur innerhalb der ihr in dem Vertrag zugewiesenen Befugnisse und gesetzten Ziele tätig werden kann. Dieses Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung schließt eine umfassende Harmonisierung des Rechts der Mitgliedstaaten grds. aus. Allerdings zeigt sich in der Praxis, dass der Gegenstand der Ermächtigungsgrundlage gerne großzügig ausgelegt wird. Die Grundlage für den Erlass von Richtlinien zur Angleichung des Gesellschaftsrechts ergibt sich aus Art. 50 Abs. 2 Buchst. g) AEUV.
Rz. 141
Der Bereich der "Schutzbestimmungen" i.S.v. Art. 50 Abs. 2 Buchst. g) AEUV wird weit gegriffen. In den Schutzbereich dieser Bestimmungen fallen nicht nur die Gesellschafter und die Gläubiger, sondern darüber hinaus alle anderen Personen. Hieraus folgert der EuGH, dass damit praktisch das gesamte Gesellschaftsrecht umfasst ist. Da die Vorschrift auch die Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen in der EU bezweckt, ist gleichzeitig jede einheitliche Maßnahme der EU erforderlich und das Eingreifen des Subsidiaritätsprinzips ausgeschlossen: Eine nationale Maßnahme könnte nämlich die Erreichung dieses Zieles nicht bewirken.
Rz. 142
Art. 50 AEUV ermächtigt zum Erlass von Richtlinien. Eine solche Maßnahme ist gem. Art. 288 Abs. 3 AEUV für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel, mit denen diese das Ziel erreichen wollen. So hat der Mitgliedstaat etwa die Wahl, ob er die Richtlinienbestimmungen als isolierten Einzelakt in Form eines Gesetzes oder einer Verordnung erlässt oder ob er diesen der Einheitlichkeit und Systematik des Gesetzesrechts wegen in die bestehenden Gesetzbücher einarbeitet.
Insoweit ist der Richtlinieninhalt also für die Beteiligten nicht unmittelbar geltendes Recht, sondern bedarf zuvor der Umsetzung durch den nationalen Gesetzgeber. Hierfür sieht die Richtlinie regelmäßig eine bestimmte Frist vor.
Hinweis
Dennoch kann eine nicht fristgerecht umgesetzte Richtlinie in zweifacher Hinsicht direkte Wirkungen für den Bürger entfalten: Zunächst kann er gegen den säumigen Staat einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch geltend machen, wenn er einen Schaden erlitten hat, der bei fristgerechter Umsetzung vermieden worden wäre. Zum anderen darf sich der säumige und damit vertragswidrig handelnde Staat seinen Bürgern ggü. nicht auf die fehlende Umsetzung berufen, sondern muss sich so behandeln lassen, als wenn die Umsetzung fristgerecht erfolgt wäre. Eine unmittelbare Drittwirkung im Verhältnis von Privatleuten untereinander gibt es nicht, da sich jeder auf das aktuelle Recht verlassen darf.