a) Aktionärsrechterichtlinien
Rz. 168
Am 11.7.2007 ist die Richtlinie 2007/36/EG über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften verabschiedet worden. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte in Deutschland durch das "Gesetz zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie" (ARUG) vom 28.5.2009. Die Richtlinie soll durch die Einführung von Mindeststandards die grenzüberschreitende Ausübung von Aktionärsrechten bei börsennotierten Gesellschaften erleichtern. Aktionäre sollen unabhängig davon, wo sie in der EU ansässig sind, rechtzeitig Zugang zu vollständigen Informationen über ihr Unternehmen erhalten und bestimmte Rechte, insb. Stimmrechte, problemlos auch aus der Ferne ausüben können.
Rz. 169
Die Richtlinie sieht folgende Mindeststandards vor:
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Hauptversammlungen sollten mindestens einen Monat vor ihrer Durchführung einberufen werden. Spätestens zum Zeitpunkt der Einberufung sollten alle relevanten Informationen vorliegen und auf die Website des Emittenten eingestellt werden. Die Einladung sollte alle erforderlichen Informationen enthalten. |
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Anstelle der Aktiensperrung sollte ein System der stichtagsbezogenen Feststellung der Aktionärseigenschaft angewandt werden, wobei der Stichtag höchstens 30 Tage vor der Hauptversammlung liegen darf. |
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Auch Gebietsfremde sollen über das Fragerecht verfügen. Der Schwellenwert für die Ausübung des Rechts, Beschlussvorlagen einzubringen, sollte nicht höher als 5 % liegen, damit dieses Recht von einer größeren Zahl von Aktionären in Anspruch genommen werden kann, ohne dass dies zulasten des ordnungsgemäßen Ablaufs der Hauptversammlung geht. |
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Die Stimmrechtsvertretung sollte nicht an übermäßige Verwaltungsanforderungen geknüpft und nicht unnötig beschränkt werden. Die Aktionäre sollten über mehrere Möglichkeiten zur Abstimmung in Abwesenheit verfügen. |
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Die Abstimmungsergebnisse sollten allen Aktionären zugänglich sein und auf der Website des Emittenten eingestellt werden. |
Rz. 170
Durch die Richtlinie 2017/828 wurde die im Jahr 2007 erlassene Richtlinie 2007/36/EG ergänzt. Wichtige Neuerungen betreffen Geschäfte mit nahestehenden Unternehmen und Personen ("related party transactions"), die Identifikation und Information der Aktionäre sowie die Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung. Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte in Deutschland durch das ARUG II.
b) Verknüpfung der nationalen Handelsregister
Rz. 171
Am 13.6.2012 ist die Änderungsrichtlinie 2012/17/EU zur Verknüpfung von Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregister verabschiedet worden. Im Einzelnen sieht die Richtlinie Änderungen der Publizitäts-, der Zweigniederlassungs- und der Richtlinie über die grenzüberschreitende Verschmelzung vor. Sie wurde in Deutschland mit Gesetz vom 22.12.2014 umgesetzt (siehe § 9b HGB). Ziel der Richtlinie ist es, die seit 2007 elektronisch zu führenden Handelsregister der Mitgliedstaaten zu einem europäischen Netzwerk zu verknüpfen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Register zu verbessern. Vorgesehen ist hierfür die Errichtung einer zentralen Europäischen Plattform, die als europäisches "Portal" für den elektronischen Zugang zu den über die Plattform vernetzten Registern der Mitgliedstaaten dient. Dieses Zentral-, Handels- und Gesellschaftsregister ist auf EU-Ebene im Juni 2017 an den Start gegangen (Business Registers Interconnection System). Der Aufbau eines zentralen europäischen Handelsregisters ist nicht geplant. Es bleibt also dabei, dass die Register von den einzelnen Mitgliedstaaten geführt werden. Auch die im Zuge der Vernetzung einzuführende europaweit einheitliche Kennung wird für das Auftreten der Gesellschaft im Rechtsverkehr keine Auswirkungen haben. Sie dient allein der Kommunikation zwischen den Registern (Erwägungsgrund Nr. 14).
c) Corporate Sustainability Due Diligence Directive
Rz. 172
Im Februar 2022 veröffentlichte die Kommission einen Entwurf für eine Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD). Der kontrovers diskutierte Vorschlag – der mit Blick auf die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in den Lieferketten – weit über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hinausgeht – sieht u.a. die Einführung einer allgemeinen Pflicht für Mitglieder der Unternehmensleitung vor, die Folgen ihrer Entscheidungen für Nachhaltigkeitsaspekte, Menschenrechte, Klimaschutz und Umwelt zu berücksichtigen. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.