I. Basis für die Anerkennung ausländischer Gesellschaften
Rz. 1
Wenn eine im Ausland errichtete Gesellschaft im Inland auftritt und z.B. ein Grundstück kaufen will, eine Tochtergesellschaft gründet oder hier eine Zweigniederlassung errichtet, so stellt sich die Frage, ob dieses offenbar nicht den Bestimmungen des deutschen Rechts entsprechend errichtete Gebilde als juristische Person anerkannt werden kann oder zumindest aus Sicht des deutschen Rechts rechtsfähig ist (Anerkennungsfrage).
Rz. 2
Gem. Art. 3 EGBGB ist bei Sachverhalten mit einer Verbindung zum Recht eines ausländischen Staates nach den Vorschriften des Internationalen Privatrechts zu bestimmen, welche Rechtsordnung anzuwenden ist, soweit nicht unmittelbar anwendbare Regelungen der Europäischen Union oder vorrangig zu beachtende staatsvertragliche Kollisionsnormen maßgeblich sind. Bei internationalen Sachverhalten verfährt man im Internationalen Privatrecht (IPR) nach der sog. kollisionsrechtlichen Methode. Es wird zunächst geprüft, ob deutsches oder ggf. welches andere Recht anzuwenden ist. Hiernach ist dann auch die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft zu beurteilen. Die Rechtsfähigkeit wird in Deutschland nach dem sog. Personalstatut entschieden. Bei einer Handelsgesellschaft wird das Personalstatut als Gesellschaftsstatut bezeichnet. Hiermit wird die Rechtsordnung bezeichnet, nach der sich über die Rechtsfähigkeit hinaus die Gründung, die Organisation und die Liquidation der Gesellschaft – kurzum sämtliche gesellschaftsrechtlich einzuordnenden Fragen richten. Das internationale Gesellschaftsrecht regelt also die Anknüpfung des Gesellschaftsstatuts, die Bestimmung seines Regelungsbereichs sowie die Möglichkeiten und die Folgen eines Wechsels des Gesellschaftsstatuts.
Rz. 3
Hiervon abzugrenzen sind die Vorschriften des deutschen Rechts, die unmittelbar Rechte und Pflichten von ausländischen Gesellschaften in bestimmten Beziehungen regeln. Hierbei handelt es sich um das sog. Fremden- oder Ausländerrecht. So sind bspw. für ausländische Kapitalgesellschaften besondere Anforderungen an die Anmeldung einer Zweigniederlassung im Inland in den §§ 13d ff. HGB geregelt.
Rz. 4
Das Personalstatut natürlicher Personen ist in Art. 7 EGBGB gesetzlich bestimmt. Danach unterliegt die Rechtsfähigkeit einer Person dem Recht des Staates, dem die Person angehört (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Das auf die Rechtsfähigkeit anwendbare Recht wird also anhand der Staatsangehörigkeit einer Person bestimmt. Man sagt daher, das Personalstatut wird an die Staatsangehörigkeit "angeknüpft".
Rz. 5
Das Personalstatut der Gesellschaften ist weder im EGBGB noch andernorts im deutschen Recht gesetzlich bestimmt. Ein Referentenentwurf vom 7.1.2008 aus dem Justizministerium sieht eine entsprechende Ergänzung des EGBGB vor (Art. 10 EGBGB-E). Die Verwirklichung des Projekts steht jedoch nicht mehr auf der politischen Agenda. Die Hoffnung ruht daher auf einer Kollisionsrechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene. Eine Kapitalgesellschaft oder eine Personen(handels)gesellschaft hat keine Staatsangehörigkeit, sodass insoweit auch keine entsprechende Anwendung von Art. 7 EGBGB in Betracht kommt. Dazu, wie das Gesellschaftsstatut zu bestimmen ist, gibt es zwei grds. verschiedene Ansätze:
Nach einer Ansicht unterliegt die Gesellschaft dem Recht, nach dem sie gegründet worden ist (Gründungstheorie). Die Gründungstheorie ist im 18. Jahrhundert in England entwickelt worden und sollte englischen Kaufleuten ermöglichen, auch im Ausland eine AG nach dem ihnen vertrauten englischen Recht zu errichten. Infolge der Gründungstheorie können die Gründungsgesellschafter sich durch Wahl des Gründungsortes aussuchen, welches Recht für ihre Gesellschaft maßgeblich sein soll. Sie führt also zur Rechtswahlfreiheit.
Mittlerweile gilt die Gründungstheorie nicht nur im Vereinigten Königreich, den USA und allen anderen Ländern, die das englische Rechtssystem rezipiert haben, sowie den meisten süd- und mittelamerikanischen Staaten. Auch in den Staaten des sog. kontinentalen Rechtssystems findet sie zunehmend Verbreitung, wie in der Schweiz, in Liechtenstein, den Niederlanden, Skandinavien und Osteuropa.
Rz. 6
Der besondere Vorteil der Gründungstheorie liegt zum einen darin, dass das Gesellschaftsstatut – wie bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit einer natürlichen Person – immer einfach zu bestimmen ist (Klarheit und Eindeutigkeit). Es lässt sich bereits der Satzung oder der Handelsregistereintragung der Gesellschaft entnehmen und wechselt auch nicht dadurch, dass die Gesellschaft später einmal ihren Tätigkeitsschwerpunkt in ein anderes Land verlegt. Umgekehrt kann sich eine im Ausland wirksam errichtete Gesellschaft im Inland niederlassen, ohne dass sie befürchten muss, ihren rechtlichen Status zu verlieren. Die Gründungstheorie korreliert daher mit einem liberalen Konzept des Gesellschaftsrechts und erhöht die Mobilität der Gesellschaften. Ein Nachteil der Gründungstheorie kann darin gesehen werden, dass die Gründer ein Gesellschaftsrecht wählen können, das die...