Rz. 82
Art. 11 Abs. 1 Fall 2 EGBGB lässt es zur Formwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts auch genügen, wenn dieses entsprechend den Bestimmungen des Rechts des Staates, in dem es vorgenommen wird (Ortsrecht) vorgenommen worden ist. Verlangt dieses Recht für die Abtretung eine geringere Form als das Geschäftsstatut, so genügt diese. Verlangt das Recht für die Abtretung von GmbH-Geschäftsanteilen die notarielle Beurkundung, so stellt sich die Frage der Gleichwertigkeit notwendigerweise nicht mehr, da mit der Beurkundung stets die Beurkundung durch die inländischen Notare gemeint ist.
Rz. 83
Allerdings ist umstritten, ob die Formwirksamkeit aufgrund Einhaltung des Ortsrechts auch für die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer deutschen GmbH infrage kommt. Aus der Entstehungsgeschichte des Art. 11 EGBGB ergibt sich eindeutig, dass der damalige Gesetzgeber gesellschaftsrechtliche Fragen nicht mitregeln wollte.
Rz. 84
Der BGH hat die Anwendbarkeit des Ortsrechts zwar für möglich gehalten, die Frage aber letztlich ausdrücklich offen gelassen. Die Rspr. der OLG hat bislang die Einhaltung der Ortsform in einigen Fällen für ausreichend gehalten. Die Lit. stimmte weit überwiegend zu. Wegen der Mitwirkungspflichten des Notars aus § 40 Abs. 2 GmbHG nach Änderung durch das MoMiG wird die Wirksamkeit der Auslandsbeurkundung aber auch angezweifelt.
Rz. 85
Die Anknüpfung an den Abschlussort versagt allerdings, wenn das dort geltende Recht die Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH nicht kennt und damit auch keine entsprechende Form vorsieht (sog. Formenleere). Das ist dann der Fall, wenn dem Ortsrecht die GmbH als Rechtsform nicht bekannt ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass insb. im anglo-amerikanischen Rechtsraum weiterhin die corporation (inc.) bzw. die limited company die einzige Form der Kapitalgesellschaft ist, die auch in der auf einen begrenzten Gesellschafterkreis zugeschnittenen Variante (close corporation bzw. private limited company) ihre "kapitalistische" Struktur beibehalten hat. Damit kennen diese Rechte nur Regelungen für die Abtretung von Aktien, nicht aber von GmbH-Geschäftsanteilen. Mangels Ortsform ist das Geschäft dann nicht formfrei, sondern es ist bei Abtretung in diesen Ländern die vom Gesellschaftsstatut vorgesehene Form zwingend einzuhalten.
Hinweis
Sofern das Recht und die offiziellen Stellen des ausländischen Staates kein gleichwertiges Beurkundungsverfahren zur Verfügung stellen, bleibt daher nur der Weg zum Beamten bei der Botschaft oder eines Generalkonsulats der BRD. In Betracht käme auch die Beurkundung in Deutschland durch Bevollmächtigte aufgrund von Vollmachten. Diese können im ausländischen Staat öffentlich beglaubigt werden.
Rz. 86
Bei einigen Ländern, deren Formerfordernisse hinter der Beurkundung gem. § 15 Abs. 3 GmbHG zurückbleiben, wie Polen (öffentliche Beglaubigung) oder Frankreich (Schriftform), ergibt sich, dass diese aufgrund der sog. dinglichen Konsensprinzips eine Abtretung gar nicht kennen. Der Abschluss des Kausalgeschäfts (Kauf, Schenkung) führt unmittelbar zum Übergang des betroffenen Rechts; umgekehrt ist eine "abstrakte" Abtretung ohne causa unmöglich. Formerfordernisse gibt es hier also nur für das Kausalgeschäft. Da die Abtretung unbekannt ist, ergibt sich naturgemäß für diese auch keine Formvorschrift.
Aus deutscher Sicht könnte man diese Lücke in der Weise zu füllen versuchen, dass man einwendet, die Formerfordernisse für das Kausalgeschäft umfassten bereits sämtliche für die Übertragung der Beteiligung erforderlichen Akte. Es widerspreche daher dem der Geltung des Ortsrechts zugrunde liegenden Gedanken des Vertrauensschutzes und der Erleichterung des Rechtsverkehrs, hier mehr zu verlangen, als nach dem Ortsrecht zur wirksamen Übertragung erforderlich sei. Da es sich um einen bislang noch nicht erörterten Aspekt der Auslandsabtretung von Geschäftsanteilen handelt, ist insoweit jedoch Vorsicht bei der Anwendung dieser angeblichen Ortsform angebracht. Es sollte die vom Gesellschaftsstatut verlangte Ortsform eingehalten werden.