Rz. 180
Die Zweigniederlassung ist ein rechtlich unselbstständiger Teil des Unternehmens, der betriebswirtschaftlich eine gewisse Eigenständigkeit besitzt. Nach herkömmlicher Ansicht setzt das Bestehen einer Zweigniederlassung die räumliche Selbstständigkeit, die Gleichartigkeit des Geschäftsgegenstands mit der Hauptniederlassung, eine gewisse Dauer und eine äußere Einrichtung ähnlich einer Hauptniederlassung voraus, also ein eigenes Geschäftslokal, ein eigenes Bankkonto, gesonderte Buchführung etc. (räumliche, organisatorische und personelle Selbstständigkeit). Die Errichtung einer Zweigniederlassung ist eine rein faktische Angelegenheit. Insb. ist es für das Bestehen ohne Bedeutung, ob eine Satzungsänderung vorgenommen wurde oder ein Gesellschafterbeschluss über die Einrichtung der Zweigniederlassung gefasst wurde.
Rz. 181
Nach der Entscheidung des EuGH in der Sache "Somafer" – die zum Begriff der Zweigniederlassung als zuständigkeitsbegründender Tatsache i.S.v. Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ (Art. 7 Nr. 5 EuGVVO) erging – ist mit dem Begriff der Zweigniederlassung ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechtsverhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist. Markant ist die Formel des BGH, demzufolge eine Zweigniederlassung so selbstständig organisiert sein muss, dass sie auch nach Wegfall der Hauptniederlassung fortbestehen könnte.
Keine Zweigniederlassung sind – mangels ausreichender Selbstständigkeit – daher Empfangsstellen, Warenlager, Speicher, Kassen, Eisenbahnhöfe und Agenturen, deren Leiter Angestellte sind, die nicht zum selbstständigen Abschluss von Verträgen befugt sind.
Rz. 182
Der Einsatz einer im Ausland gegründeten Gesellschaft als Vehikel für den Betrieb eines Unternehmens im Inland führt regelmäßig dazu, dass die inländische Niederlassung die einzige tatsächliche Niederlassung der im Ausland gegründeten Gesellschaft sein wird. Tatsächlich wird diese daher keine Zweig- sondern die Hauptniederlassung darstellen. Für die Eintragung im Handelsregister ist dies ohne Bedeutung. Schon in der Centros-Entscheidung hatte der EuGH festgestellt, dass eine ausländische Niederlassung auch dann als Zweigniederlassung zu registrieren ist, wenn es tatsächlich die einzige Niederlassung ist. "Hauptniederlassung" ist damit der Satzungssitz der Gesellschaft, der u.a. das für die Errichtung der Gesellschaft maßgebliche Handelsregister indiziert. "Zweigniederlassung" ist jede weitere tatsächliche, ausschließlich in registertechnischer Sicht sekundäre Niederlassung. Eine andere Entscheidung würde dazu führen, dass die tatsächliche Hauptniederlassung aus der Anmeldepflicht herausfiele und der Publizität entzogen wäre. Dies würde dem Zweck der Publizitätsrichtlinie zuwiderlaufen und ist daher abzulehnen.