Rz. 77
Bei der Abtretung von Geschäftsanteilen an einer GmbH sind Rechtskollisionen in verschiedenster Weise möglich. Bekanntester Fall ist der sog. Beurkundungstourismus bei höherwertigen Geschäften. Hierbei versuchen die Vertragsparteien durch Beurkundung des Verkaufs und der Abtretung Notargebühren zu sparen. Im Rahmen eines komplexen Unternehmenskaufs kann es aber auch der Abschluss eines einheitlichen Vertrags erzwingen, dass ein Kausalgeschäft, welches Beteiligungen an Gesellschaften mit Sitz in vielen Staaten betrifft, einheitlich an einem bestimmten Ort abgeschlossen werden muss. In diesem Fall wird dann vielfach von den Beteiligten ein closing in einer einzigen Sitzung verlangt, die auch die Abtretungen erfassen soll. Auch der Umstand, dass sowohl abtretender Gesellschafter als auch Erwerber ihre Niederlassung im Ausland haben, kann ein legitimes Interesse an der Vornahme der Abtretung im Ausland begründen.
Für die Beurteilung dieser Fälle sind eine Reihe von Fragen gesondert zu beurteilen:
1. Materielle Voraussetzungen für die Abtretung
Rz. 78
Ausgangspunkt ist, dass die Übertragung von Geschäftsanteilen dem Gesellschaftsstatut unterliegt. Dies betrifft insb. die Frage, ob eine Abtretung überhaupt möglich ist und welche Beschränkungen ggf. bestehen (Übertragung nur an Mitgesellschafter, Zustimmungserfordernisse der Gesellschaft etc.), ob eine Teilabtretung möglich ist und welche Regelung über die Stückelung hierbei zu beachten ist, welche Maßnahmen zur Übertragung durchzuführen sind (Übergabe von Anteilsscheinen, Mitteilung an die Geschäftsführung, Eintragung im Handelsregister etc.) und mit welchem Zeitpunkt die Abtretung wirksam wird. Dabei ergibt sich aus dem Gesellschaftsstatut auch, ob – neben den anderen Erfordernissen – der Anteil bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts übergeht (reines dingliches Konsensprinzip), ob es eine von der Kausa verselbstständigte, "abstrakte" Abtretung gibt oder ob eine Abtretungserklärung erforderlich ist, die aber in ihrem Bestand von der Wirksamkeit eines Kausalverhältnisses abhängt (System von titulus und modus). Die Verfügungswirkung der Kausa (Kauf, Schenkungsvertrag, Vermächtnis) hängt also nicht von dem für diesen schuldrechtlichen Titel geltenden Recht ab, sondern von dem für die Abtretung maßgeblichen Recht, also dem Gesellschaftsstatut der Objektgesellschaft.
Rz. 79
Besonderheiten gelten, wenn über die Beteiligung echte Inhaberpapiere ausgegeben worden sind. Das ist dann der Fall, wenn die Übertragung der Beteiligung in der Weise erfolgt, dass die verbriefende Urkunde übereignet wird. Das Gesellschaftsstatut gilt nur für die Frage, ob es sich bei diesen Papieren um echte Inhaberpapiere (z.B. Inhaberaktien) handelt. Die Verfügung über diese Papiere richtet sich dann nicht nach dem Gesellschaftsstatut, das lediglich darüber entscheidet, ob die Verfügung möglich ist und welche Wirkungen sie hat, sondern nach dem für die Übereignung des Papiers maßgeblichen Sachenstatut. Art. 43 Abs. 1 EGBGB verweist hier auf das Recht am jeweiligen Lageort der Urkunde (lex cartae sitae).
2. Formelle Wirksamkeit der Abtretung
a) Einhaltung des Gesellschaftsstatuts (Gleichwertigkeitsfrage)
Rz. 80
Gem. Art. 11 Abs. 1 Fall 1 EGBGB ist die Abtretung zum einen wirksam, wenn sie die von dem auf das Rechtsgeschäft anwendbaren Recht verlangte Form einhält (Geschäftsstatut) – bei der Abtretung von Geschäftsanteilen also das Gesellschaftsstatut.
Hinweis
So kann z.B. bei Vornahme der Abtretung im Inland der Anteil an einer französischen societé à responsabilité limitée (SARL) nach Maßgabe des französischen Rechts unter Einhaltung der einfachen Schriftform abgetreten werden.
Rz. 81
Bei der Abtretung der Beteiligung an einer deutschen GmbH stellt sich die Frage, ob die von § 15 Abs. 3 GmbHG verlangte notarielle Beurkundung auch durch einen ausländischen Notar erfolgen kann. In der Praxis gibt es hier bei größeren Gegenstandswerten einen gewissen "Beurkundungstourismus" in die Schweiz. Nach einer Entscheidung des BGH vom 16.2.1981, die durch einen Beschl. v. 17.12.2013 bestätigt wurde, kann ein vom deutschen Recht aufgestelltes Beurkundungserfordernis auch durch einen ausländischen Notar erfüllt werden, soweit das Beurkundungsverfahren gleichwertig ist. Solche Gleichwertigkeit ist gegeben,
Zitat
"(...) wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeiten des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Errichtung der Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht."
Der BGH hat daraufhin die Gleichwertigkeit für die Beurkundung durch Notare in Zürich/Altstadt und Basel bejaht. Bei Beurkundung durch einen österreichischen Notar liegt die Gleichwertigkeit besonders nahe, da hier das Beurkundungsverfahren noch strenger ist als in der Schweiz. Umstritten aber bleibt, welche Auswirkungen sich für die Feststellung der Gleichwertigkeit aus dem "Supermarkt-Beschluss"