Rz. 5
Wird ein Landgut außerhalb der Geltung landesgesetzlicher Sonderregelungen, wie der Höfeordnung, vererbt, finden die subsidiären Vorschriften des § 2049 BGB für die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, ergänzt durch § 2312 BGB für die Bewertung des Pflichtteilsanspruchs Anwendung. Beide Vorschriften greifen frühere Regelungen zu Anerbenrechten auf und übernehmen das dort zur Erhaltung des landwirtschaftlichen Betriebes angewandte Instrument der Kürzung des Miterbenanteils. Sie verfolgen die Zielrichtung, die übermäßige, den Ertrag des Betriebes übersteigende finanzielle Belastung desjenigen zu verhindern, der als Erbe den Betrieb fortführt.
Rz. 6
§ 2049 Abs. 1 BGB enthält eine Auslegungsregel. Danach ist die Anordnung des Erblassers, dass ein Miterbe das Recht haben soll, ein Landgut zu übernehmen, im Zweifel zugleich dahingehend zu verstehen, dass das Gut bei Übernahme mit dem Ertragswert auf den Erbteil anzurechnen ist. Dieser Fall tritt also nur dann ein, wenn kein anderer Wille des Erblassers in der letztwilligen Verfügung oder aus sonstigen Umständen feststellbar ist. Der Erblasser kann mithin von dieser Regel abweichen. Andernfalls greift die Auslegungsregel, und die Bewertung des Landguts für die Berechnung von Ausgleichsansprüchen erfolgt nicht unter Zugrundelegung des Verkehrswertes, sondern es wird lediglich der, in der Regel niedrigere, Ertragswert angesetzt. Dabei handelt es sich um einen Ertragswert der besonderen Art, der nichts mit dem Ertragswertverfahren im Zusammenhang mit der Ermittlung von Verkehrswerten zu tun hat. Die Auslegungsregel kann entkräftet werden, durch den Nachweis eines anders lautenden Willen des Erblassers.
I. Definition des Landguts
Rz. 7
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist unter einem "Landgut" im Sinne von § 2049 eine Besitzung zu verstehen,
Zitat
"die eine zum selbstständigen und dauerhaften Betrieb der Landwirtschaft einschließlich der Viehzucht oder der Forstwirtschaft geeignete und bestimmte Wirtschaftseinheit darstellt und mit den notwendigen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehen ist. Sie muss eine gewisse Größe erreichen und für den Inhaber eine selbstständige Nahrungsquelle darstellen; dass eine Ackernahrung vorliegt, ist jedoch nicht erforderlich; eine Besitzung kann auch dann ein Landgut sein, wenn der Inhaber neben der Landwirtschaft einen anderen Beruf ausübt".
Das OLG München führt zu den Privilegierungsvoraussetzungen aus:
Zitat
"Damit kann sogar eine landwirtschaftliche Nebenerwerbsstelle Landgut sein. Zur Vermeidung verfassungswidriger Ergebnisse ist der Begriff des Landgutes im Sinne von §§ 2312, 2049 BGB und damit der Anwendungsbereich dieser Vorschriften allerdings dahin einzuschränken, dass der Gesetzeszweck, nämlich die Erhaltung eines im obigen Sinne noch leistungsfähigen, landwirtschaftlichen Betriebes in der Hand einer vom Gesetz begünstigten Person, erreicht werden wird."
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Landguteigenschaft ist der Eintritt des Erbfalles.
Rz. 8
Der Begriff der Landwirtschaft entspricht dem in § 585 BGB. Einer bestimmten Größe des Landguts bedarf es historisch betrachtet nicht, jedoch stößt eine Privilegierung von Kleinstbetrieben, zu Lasten der Gleichbehandlung der Erben, auf verfassungsmäßige Bedenken.
Rz. 9
Das Landgut muss dabei Eigentum, nicht zwingend Alleineigentum des Erblassers sein. Vom Erfordernis des Alleineigentums ist insbesondere eine Abweichung dann zuzulassen, wenn der Übernehmer im Ergebnis Alleineigentümer wird und damit der Gesetzeszweck der Fortführung des Betriebes in einer Hand erreicht wird.
Rz. 10
Es ist unerheblich, ob das Landgut zuvor in der Höferolle gelöscht wurde. Die weitergehenden Voraussetzungen für einen Hof im Sinne der Höfeordnung, insbesondere eine Mindestertragskraft, ist bei einem Landgut i.S.d. BGB nicht erforderlich.
Rz. 11
Landgut sind, insbesondere auch unter Anknüpfung an § 585 Abs. 1 S. 2 BGB:
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Gartenbaubetriebe und zwar unabhängig davon, ob die Erzeugung im Boden, in Behältnissen oder unter Glas erfolgt (§ 585 Abs. 1 S. 2 BGB) |
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Tierzuchtbetriebe, allerdings nur solche, die mit der Bodennutzung verbunden sind (§ 585 Abs. 1 S. 2 BGB) |
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Weinbaubetriebe |
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Weidewirtschaftsbetriebe |
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Erwerbsobstbaubetriebe |
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Imkereibetriebe |
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Binnenfischereien, soweit sie private Teichwirtschaftsbetriebe sind. |
Rz. 12
Ob reine Forstgüter als privilegierte Landgüter im Sinne des § 2049 Abs. 1 BGB anzusehen sind, ist streitig, wenngleich sie von den Privilegierungen der Höfeordnung und einiger Anerbengesetze erfasst werden (HöfeO, HessLandgüterO, WürttAnerbenG). Mit ihnen wird keine Landwirtschaft im engeren Sinn betrieben. Auch rein wirtschaftlich ...